„In Partnerhoroskopen spielen Pluto und Chiron eine besonders wichtige Rolle“
Interview des Deutschen Astrologen-Verbandes mit Andreas Bleeck.
Andreas Bleeck, geb. am 12. August 1966 um 2.47 in Bad Mergentheim. Während seinem Studium der Psychologie, das er nicht abgeschlossen hat, übte er zahlreiche Gelegenheitsjobs als LKW-Fahrer, Möbelpacker, Koch, Kellner, Rettungsschwimmer, im Verlagswesen und der Produktion aus.
Später folgten eine kaufmännische Ausbildung sowie Reisen in verschiedene Länder des nahen und fernen Ostens, nach Afrika, Mittelasien sowie Australien. Er betrieb ein 20jähriges autodidaktisches Studium der indischen Philosophie und Religion, eine eigene Gesprächspsychotherapie sowie Primärtherapie bei Carmen Reiss. 1990 kam Bleeck zum ersten Mal bei der Astrologischen Gesellschaft Frankfurt mit der Astrologie in Kontakt. Er absolvierte eine Ausbildung bei Dr. Reinhard Müller und arbeitet heute als beratender Astrologe sowie Seminarleiter. Seit 2007 schreibt er regelmäßig für die Zeitschriften ‚Meridian‘ und ‚Astrologie Heute‘. Schwerpunkt seiner Bücher ist die Erarbeitung einer soziologisch orientierten Astrologie, ausgehend u.a. von systemischen Ansätzen, Rollentheorien und kritischer Theorie. Zu seinen Publikationen zählt eine zweibändige „Astrologische Soziologie“. Zudem entwickelte er eine auf dem Psychologen Erikson beruhende Zuordnung von Lebensaltern zu den Planeten.
Klemens Ludwig sprach mit ihm über die Perspektiven einer wissenschaftlichen Astrologie, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu wissenschaftlichen Disziplinen sowie die Bedeutung der Partnerschaftsastrologie.
DAV: Seit C. G. Jung träumen viele Astrologen davon, wieder von der Wissenschaft anerkannt zu werden. Auch im DAV und darüber hinaus gab es derartige Initiativen. Bis heute gibt es jedoch nur wenige Wissenschaftler, die die Astrologie als ernsthafte Disziplin betrachten. Du vertrittst in zahlreichen Publikationen und Vorträgen den Anspruch, eine wissenschaftliche Basis für die Astrologie zu entwickeln. In welchen Fachgebieten siehst du dafür Berührungspunkte?
Andreas Bleeck: Ich sehe drei Bereiche, in denen ein enger Austausch mit der Astrologie möglich wäre, die Psychologie, die Anthropologie und vor allem die Soziologie. Die Psychologie tut sich allerdings schwer damit, denn sie sammelt viele Daten und gibt der Statistik einen großen Raum, was der Erfassung komplexer persönlicher Bezüge im Horoskop nicht entspricht. Zudem herrscht eine große Ablehnung gegenüber allem, was als parapsychologisch betrachtet wird. Die Anthropologie erforscht mehr die Vergangenheit, was dem konkreten Beratungsanspruch des Astrologen nicht gerecht wird. Die Soziologie und Sozialarbeit hingegen ist offen für viele Bereiche des menschlichen Lebens. Es gibt über 70 Teildisziplinen wie Elitesoziologie, Internetsoziologie, Alterssoziologie oder sogar Zeitsoziolgie, so dass sich die Astrologie da einen eigenen Platz kreieren könnte.
DAV: Wie kann die Astrologie überhaupt die Kriterien einer wissenschaftlichen Disziplin erfüllen, wo es ihr nicht zuletzt um so etwas wie Lebenshilfe geht?
Andreas Bleeck: Ich sehe die eigentliche Aufgabe der Astrologie nicht im therapeutischen Bereich, sondern in der Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse, die den Einzelnen prägen. Die Einordnung des Bewusstseinszustandes ist nicht zu verstehen, ohne dass man weiß, aus welchem Milieu ein Mensch kommt, welche Familienprägung er besitzt oder in welchen Bereichen er arbeitet. Bei der wissenschaftlichen Erfassung biographischer Daten drängen sich Parallelen zur Wissenssoziologie mit ihren verschiedenen Milieu- und Rollentheorien auf. Auch für die Astrologen sind Fragen wichtig wie, „In welcher Umgebung lebt der Mensch?“ „Wie verlaufen seine Bindungen im Leben?“ „Welche Probleme ergeben sich für ihn aus den Geschlechterverhältnissen?“ „Wie geht er mit Autoritäten um?“ „An welchen Diskursen ist er beteiligt?“
DAV: Mein Bild von der Soziologie war bislang, dass sie sich weniger um solch individuelle Fragen kümmert – die für die Astrologie natürlich essentiell sind – als um die gesamtgesellschaftlichen.
Andreas Bleeck: Für die Soziologie ergibt sich wie gesagt die Persönlichkeit aus den gesellschaftlichen Verhältnissen. Denken wir nur an Karl Marx, der sagte, dass das Bewusstsein vom Sein kommt. Aber das ist ein anderes Thema. Es gibt die Überschneidung von Psychologie und Soziologie in der Sozialpsychologie. Dort werden die der Astrologie ähnlichen Persönlichkeitsmerkmale u.a. durch die Kategorien der Big Five oder den Myers-Briggs-Indikator vertreten, die beide auf Inspirationen von C.G. Jung zurückgehen. Sie spielten beispielsweise in dem Skandal um Cambridge Analytica eine große Rolle, weil dort nach diesen Merkmalen individuelle Profile erstellt wurden, die die Wähler beeinflussen sollten. Dann sind auch verschiedene systemische Ansätze für die Astrologie gut übertragbar. Viele Sozialarbeiter machen systemische Zusatzausbildungen, um besser auf den Kontakt mit Klienten vorbereitet zu sein und auch, um sich selbst besser kennenzulernen. Bei der Arbeit mit Menschen ist die Analyse des Systemfeldes inzwischen Standard.
DAV: Wie sieht dies konkret aus?
Andreas Bleeck: Die Astrologie arbeitet mit ähnlichen Kategorien wie die Soziologie. Die großen Gesellschaftssysteme wie die Politik, das Militär, die Justiz oder die Wissenschaft entsprechen unseren Planeten Mars, Jupiter, Saturn und Merkur. Es ergeben sich häufig Dimensionen zwischen acht und zwölf Kategorien, die sich auf die astrologische Matrix gut übertragen lassen. Wir können also mit unseren Methoden ähnliche Ansätze wie die soziologischen Theorien mittlerer Reichweite (Grounded Theory) verfolgen und während der Arbeit mit Befragungen, Biographien und Strukturanalysen eigene Dimensionen neu erschaffen oder umformen.
DAV: Damit bewegst du dich auch im Bereich der Mundanastrologie.
Andreas Bleeck: Natürlich. Die Mundanastrologie ist ein praktischer Bestanteil der astrologischen Arbeit. Es kommt gar nicht so sehr darauf an, dass wir alle dieselben Systeme benutzen, sondern das wir dafür sorgen, dass sie ineinander übertragbar und durchlässig bleiben, so wie die unterschiedlichen Gesellschaftssysteme auch. Die Systemtheorie fragt immer danach, wie es konkret zusammenhängt und welche Funktionen füreinander ersetzbar sind. Die Justiz kann z.B. Funktionen der Politik übernehmen oder die Heilpraxis Teile der Medizin. Wir müssen uns fragen, welche Operationen anderer Systeme die Astrologie für unsere heutige Gesellschaft übernehmen kann. Dabei kann es um Fragen der Vorstellung von Zeit gehen, um Identität oder um Sinnfragen der digitalen Welt. Vor allem aber steht die Untersuchung der Frage, was wir Astrologen da genau machen, wofür wir auch Feedback aus anderen Fächern brauchen.
DAV: Was sind für dich die Merkmale einer wissenschaftlichen Astrologie?
Andreas Bleeck: Es geht nicht um Kausalitäten wie in den Naturwissenschaften. Eysenck und Nias haben nachgewiesen, dass fast alle großen Untersuchungen wie die von Sachs, Gauquelin und Bühler erhebliche Mängel aufweisen. Es ist die Frage, ob ein deterministischer Bezug zu den Sternen überhaupt wünschenswert ist oder nicht vielmehr dem Allmachtsanspruch einer narzistischen Persönlichkeit entspringt. Für uns kann es nicht um Vereinfachungen wie in der Sonnenstandsastrologie gehen, oder um Effekthascherei, sondern um eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die wir sauber analysieren sollten. So dass sich für jedes Individuum mehr Freiräume ergeben. Wir beraten ja letztlich einzelne Menschen, die auf der Suche nach Erklärungen für ihr Dasein sind und dabei auch Fragen haben, die die bisherige Wissenschaft nicht beantworten kann.
DAV: Lass uns zur konkreten Beratungspraxis kommen. Auf unserem Kongress sprichst du nicht über die wissenschaftlichen Perspektiven der Astrologie, sondern über Partnerschaftsastrologie, genauer Combin und Composit. Was ist für dich dabei besonders zu beachten?
Andreas Bleeck: Mich fasziniert die Partnerschaftsastrologie, weil eine Beziehung immer mehr ist als die Summe seiner Teile. Wir lernen über uns selbst nirgendwo mehr, als durch den exklusiven Kontakt zu einem für uns besonderen Menschen. Deshalb spielen in Partnerhoroskopen Pluto und Chiron eine besonders wichtige Rolle. Chiron steht für uns ja als eine Art äußere „Urverletzung“, die uns zugefügt wurde. Wir verdrängen sie im Alltag gerne, so dass sie in der Partnerschaft dafür umso dringlicher erscheinen kann, und unsere üblichen Vermeidungsstrategien nicht funktionieren.
Das Symbol von Pluto entspricht dem innersten Geheimnis des Doppelgängers, der in uns allen als dialektisches Wesen wohnt – der Schatten, wie C.G. Jung sagen würde. Um uns und die Partnerschaft zu entwickeln, ist es wichtig, uns beide Prinzipien bewusst zu machen. Nehmen wir die Themen von Chiron und Pluto nicht an, bleiben nicht nur wir in unserer Entwicklung stecken, sondern auch die Partnerschaft wird stagnieren. Indem wir uns mit diesen Themen konfrontieren lassen, bauen wir ein Feld auf, in das auch andere Menschen hineintreten können. Daraus wächst Gesellschaft, weil ich die förderliche Seite des anderen ins Zentrum stellen lerne.
DAV: Sprichst du aus eigener Erfahrung?
Andreas Bleeck: Nicht unbedingt. Ich habe in meinem Leben zwar viel Zeit in Partnerschaften verbracht und erlebt, welche neue Perspektiven ein tiefer Austausch ermöglicht. Leider steht mein Sonnenzeichen Löwe in Quadrat zu Neptun, dem Meister der Verdrängung von Eigenanteilen. Aber habe ich aus der Beschäftigung mit Partnerhoroskopen interessante Erkenntnisse über die Deutung von Combin und Composit gefunden, die ich erstmals auf dem Kongress öffentlich präsentieren will.
DAV: Das macht neugierig und wir sind gespannt auf deinen Vortrag.
Mehr Informationen über die Arbeit von Andreas Bleeck: www.astrologie-abc.de/
Das Interview führte Klemens Ludwig.