Ehrenmitglied des Deutschen Astrologen-Verbandes
Rafael Gil Brand: Laudatio für Dr. Christoph Schubert-Weller
Die Mitgliederversammlung hat nahezu einstimmig Christoph Schubert-Weller zum neuen Ehrenmitglied des DAV ernannt. Schubert-Weller hat den Verband über Jahrzehnte in verschiedenen Positionen, darunter als erster Vorsitzender, geprägt. Sein langjähriger Weggefährte Rafael Gil Brand, bis 2019 zweiter Vorsitzender des DAV, hat eine berührende Laudatio auf den Geehrten gehalten, die Sie hier nachlesen können:
Lieber Christoph,
ich freue mich, Dich als Ehrenmitglied des DAV begrüßen zu dürfen.
In der Satzung des DAV steht: „Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise durch ihr Engagement für den DAV und/oder die Astrologie verdient gemacht haben, können zu Ehrenmitgliedern ernannt werden.“ Das klingt weniger eng als die alte Fassung, wonach lediglich „Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise um die wissenschaftliche Astrologie verdient gemacht haben“, diese Ehrung verdient hätten. Und doch: auch um die wissenschaftliche Astrologie hast Du Dich in besonderer Weise verdient gemacht. Nicht, indem Du mit bahnbrechenden Beweisen für die Astrologie oder mit einer ultimativen neuen Technik aufwarten würdest. Sondern auf einer fundamentaleren, und bitter notwendigen Ebene: die des Dialogs und des seriösen Diskurses nicht nur mit den akademischen Wissenschaften, sondern auch mit den Institutionen des Glaubens. Wie kaum ein anderer bist Du stets bemüht, diesen Dialog zu führen, mit einer breit gefächerten und soliden Sachkenntnis und einem differenzierten Verständnis für die Standpunkte und Argumente aller beteiligten Seiten. In der Hinsicht können Dir nur wenige das Wasser reichen.
1984 bist Du in den DAV eingetreten, 1985 die Prüfung abgelegt. Es dürfte inzwischen sehr wenige geben, die nicht nur so lange Mitglied im Verband waren, sondern ihm auch tatkräftig gedient haben.
Ich selbst bin im Jahre 1988 in den DAV eingetreten, und von Anfang an gehörtest Du für mich zu den zentralen Figuren des DAV. Nicht so sehr durch irgendwelche Ämter – ich weiß gar nicht, ob Du damals schon eines bekleidet hast – sondern durch Deine stete Präsenz in den Mitgliedsversammlungen, Deinem Engagement und Deinen immer ausgewogenen, fundierten und nicht minder leidenschaftlichen Beiträgen, sei es in organisatorischen und verbandspolitischen Fragen, sei es in fachlichen Diskussionen. Und immer getragen von Deiner unnachahmlichen Eloquenz und garniert mit Deiner Gewitztheit im Umgang mit Worten und Bedeutungen. Nie hatte ich den Eindruck, es ginge Dir um Eigeninteressen oder um Eigenprofilierung. Es ging Dir um die gemeinsame Sache, um die Vertretung und Verbreitung einer seriösen, professionellen Astrologie, und vor allem um den Dialog auch zwischen den verschiedenen Strömungen innerhalb der Astrologie. Du kannst kritisch sein, zuweilen vielleicht querköpfig, aber es hat Dich immer ein ausgesprochener Sinn für Kollegialität und ein echter Respekt vor dem Andersdenkenden ausgezeichnet. Du lebst diese Kollegialität, und danach handelst Du auch. Dein aktives Bestreben ist es stets gewesen, zu versöhnen, und nicht zu spalten. Allein damit hast Du einem so heterogenen Haufen wie dem DAV einen großen Dienst erwiesen.
Für mich war der DAV immer ein Verband, der schulübergreifend die verschiedenen Strömungen innerhalb der Astrologie vertreten und integrieren wollte. Die Realität mag dem Ideal hie und da hinterherhinken, und es hat schon heftige fachliche Auseinandersetzungen im DAV gegeben. Wenn aber jemand dieses Ideal nicht nur der Toleranz, sondern des interessierten und ernstnehmenden Dialogs verkörpert, dann Du. Nicht umsonst heißt eines Deiner bekanntesten Bücher „Wege der Astrologie“ – von 1996 – in dem Du die verschiedenen astrologischen Schulrichtungen von der Klassik über Döbereiner und Huber bis zur Hamburger Schule sachkundig erläuterst und würdigst. Ich kann mich erinnern, als wir Ende der 90er, Anfang der 0er Jahre gemeinsam in der Prüfungskommission zusammengearbeitet haben, da sprachen wir manchmal über Orte und Regionen, die an der Schwelle, in den Übergängen stehen – zwischen Land und Meer, zwischen Gebirge und Ebene, zwischen Natur und Kultur. Es schien mir, dass für Dich eine besondere Faszination von solchen Schwellenregionen ausging. Seit langem lebst Du am Bodensee, einem Ort, der wohl in mehrfacher Hinsicht an der Schwelle liegt.
Und wenn ich Dein bisheriges Leben und Wirken betrachte, so kommt es mir vor, dass Du immer schon ein Brückenbauer gewesen bist – auf keinen Fall ein Pontifex! – und ein Bewohner verschiedener Welten. Als Kind aufgewachsen und nach Deinen eigenen Worten geborgen in einem katholischen, kirchlichen Umfeld, musstest Du Dich als Jugendlicher inmitten der 60er-Jahre-Bewegung emanzipieren, vieles in Frage stellen, um intellektuell zu reifen. Als Sprachwissenschaftler und promovierter Pädagoge bist Du vertraut mit der akademischen Welt und mit epistemologischen und humanistischen Fragestellungen. Als Berater, Therapeut und Sterbebegleiter, und nicht zuletzt aus ganz persönlicher Erfahrung kennst Du die Tiefen und Untiefen der menschlichen Seele und beherrschst das Handwerk des Begleitens, des Orientierens und des Seelsorgens.
Mitte/Ende Deiner 20er Jahre hattest Du ein tiefes spirituelles Aha-Erlebnis, das Dir in Erinnerung rief, dass es mehr zu bedenken gibt als das, was nur rational fassbar ist. Das hat Dich zur Esoterik und schließlich zur Astrologie geführt. Und innerhalb der Astrologie bist Du nicht einfach bei der revidierten Klassik geblieben, sondern hast Dich in den 80er Jahren intensiv und ausgiebig mit der Hamburger Schule befasst.
Was könnte auch besser passen zu jemanden wie Dir als die Astrologie. Wie keine andere Wissenschaft steht sie ja in der Mitte dieses kosmotheandrischen Bermuda-Dreiecks, ein wundersames Bindeglied zwischen Kosmos, Theos – Gott – und Andros – dem Menschen. Ich sehe auch Dich – wissend, fragend und staunend – in diesem Kreuzgang.
Aus dieser Berufung heraus, Brücken zu bauen, hast Du 1993 Dein zweites Buch geschrieben „Spricht Gott durch die Sterne“. Auch wenn sich unsere Welt seitdem etwas geändert hat, ist vieles, was Du dort vorträgst über das Wesen der Astrologie, über ihr Verhältnis zur Wissenschaft, über die Kritik an der Astrologie und dem Umgang mit dieser Kritik, und nicht zuletzt über das Verhältnis der Astrologie zum Glauben und speziell zum Christentum, in vieler Hinsicht noch aktuell und höchst lesenswert. Deine hohe fachliche Kompetenz und Dein „Universalgelehrtentum“ kommen schon dort trefflich zur Geltung. Viele Jahre später hast Du manchen Gedanken 2011 in Deinem Buch „Verstehen und Erkennen in der Astrologie – philosophische Fragen und Thesen“ aufgegriffen und weitergesponnen.
Aber auch auf der Ebene der astrologischen Praxis hast Du wertvolle Beiträge geleistet. Das fing 1989 an mit „Die astrologische Geburtszeitkorrektur“ (Hugendubel), was zu einem regelrechten Klassiker geworden ist – ein Thema, das Du 2005 in einer komplett neuen Fassung unter dem Titel „Die Korrektur der Geburtszeit in 7 Schritten“ herausbrachtest. 2009 kam Dein Buch „Kombination und Synthese – Die Kunst der Horoskopdeutung“ heraus, und schließlich 2015 „Die integrierte Prognose“. Und nach der Wende beschertest Du uns 1994 in Zusammenarbeit mit Ulla Bittner das Tabellenwerk „Die geographischen Positionen der 5 neuen Bundesländer und Berlins“. Auch hier betätigtest Du Dich auf ganz pragmatischer Ebene als Brückenbauer.
Deine Tätigkeit als erster Vorsitzender des DAV zwischen 2005 und 2011 ist ebenfalls geprägt von der Idee des Dialogs. Der DAV-Rundbrief wurde zu einem Vorläufer des Newsletters, mit einer vierteljährlichen Erscheinung und mit deutlich mehr Information, auch über die internen Angelegenheiten des Verbandes hinaus. Du hast Dich insbesondere für intensivere Kontakte mit Verbänden und Kollegen aus anderen Ländern bemüht, und im Zuge dessen einen englischsprachigen Newsletter ins Leben gerufen. Und in den teilweise heftigen Auseinandersetzungen um die klassische und Stundenastrologie hast Du immer versucht, versöhnend einzuwirken.
Aber was Dich als Mensch und als Astrologe vielleicht in besonderem Maße kennzeichnet ist Dein tiefer Glaube, jenseits von Konfessionen, Dein Ringen um spirituelle Führung, vielleicht um Gnade. Ich kann mich sehr gut erinnern an einen Brief bzw. Bericht, den du uns KollegInnen von der Prüfungskommission schicktest, nachdem Du 1999 in Indien Sai Baba besucht hattest. Du warst tief ergriffen von dieser Erfahrung, und mich hat damals nicht nur Dein Bericht sehr berührt, sondern auch die Tatsache, dass Du diese sehr persönliche Erfahrung mit uns teiltest. Deine spirituellen Reisen nach Indien hast Du 2002 und 2004 wiederholt. 2007 bist Du den Jakobsweg gegangen, um dann die spirituelle Welt Japans für Dich zu entdecken: in den vier Jahren von 2012 bis 2015 bist Du den Pilgerweg der 88 Tempel auf der Insel Shikoku gegangen. Ein Ergebnis dieser Erfahrung und Deiner Sprachkunst ist sicherlich die Sammlung von Haikus, die Du zusammen mit Bildern von Isabel Blessing-Peest 2016 veröffentlicht hast. Inzwischen hatte Dich Herr Parkinson fest im Griff, was aber Deiner geistigen Produktivität keinen Abbruch getan hat. Im Gegenteil. Außer den schon erwähnten Büchern „Verstehen und Erkennen in der Astrologie“, „Integrierte Prognose“ und dem Haiku-Band, hast Du 2019 „Endzeit oder Übergang. Leben, Kultur, Zivilisation und Ziele des Wassermannzeitalters“ veröffentlicht, und 2020 schließlich – sozusagen in Rekordzeit – „Aufbruch zur Freiheit – der Neustart des Jupiter-Saturn-Zyklus“.
Auch Deine spirituelle Suche ist – so mutmaße ich – intensiver geworden. Die Pilgerfahrt der 88 Tempel habe ich schon erwähnt, und in 2019 machtest Du eine intensive Erfahrung mit dem Schamanismus der alten Inkas in Peru. Vielleicht ist in dieser Hinsicht das Bild des Brückenbauers doch nicht ganz zutreffend, und mehr das des Wanderers zwischen den Welten, immer wieder Ausschau haltend nach den Brücken, die Dich an den Ort bringen, an dem Dein Seelenkern beheimatet ist.
Ich danke Dir, Christoph, für Dein unermüdliches, jahrelanges Engagement für den DAV, für Deine immer authentische Kollegialität und für Deinen großen Beitrag zur Integration von Astrologie, Wissenschaft, Humanismus und Spiritualität.
Foto: @astrobecker
Anmerkung der Journalredaktion:
Christoph Schubert-Weller wurde der Laudatio und Verleihung seiner Ehrenmitgliedschaft im DAV,
per Zoom zugeschaltet.