DAV-Interview mit Rolf Liefeld
„Diese Himmelskörper müssen doch eine Rolle in der Deutung spielen“
Rolf Liefeld, (* 18.08.1969, 23:55 Uhr, Gräfelfing) beschäftigt sich seit Ende 2000 intensiv mit Astrologie. Seine Kenntnisse hat er sich im Selbststudium aus Fachbüchern angeeignet. Dabei ist im Laufe der Jahre eine umfangreiche astrologische Bibliothek entstanden. Er fühlt sich keiner bestimmten Lehrmeinung oder Schule verpflichtet und hat sich dadurch eine große Unabhängigkeit bewahrt.
Seit 2007 ist Rolf Liefeld astrologisch beratend im Forum von Astrodienst tätig. Dazu kommt eine umfangreiche Tätigkeit als Herausgeber astrologischer Online-Texte: Seit Ende 2008 arbeitet er als Editor im Online-Astrologielexikon AstroWiki, seit 2014 als aktiver Editor der AstroDatabank und schließlich als Chronist des DAV. Seine Forschungsschwerpunkte sind Fixsterne, Gradastrologie, neu entdeckte Himmelskörper und Planetentöne. Letzteres fließt in eine astrologische Klangbehandlung ein, die mit speziellen, nach Planetentönen gestimmten, Klangschalen durchgeführt wird.
Klemens Ludwig sprach mit ihm über die Bedeutung entfernter Himmelskörper, Chancen und Herausforderungen bei der Pionierarbeit, diese zu deuten und seinem Weg vom überzeugten Skeptiker zum überzeugten Anhänger der Astrologie.
DAV: Du referierst auf unserem kommenden Kongress über die Himmelskörper des Kuipergürtels, „Jenseits von Neptun“. Das ist ein Thema, das selbst für etliche praktizierende Astrologen wenig vertraut sein dürfte. Wie kamst du dazu und was können wir darunter verstehen?
Rolf Liefeld: Mein Interesse geht ins Jahr 2002 zurück. Damals hat die Entdeckung von Quaoar im Gürtel jenseits von Neptun einen Hype ausgelöst. Kurze Zeit später folgten unter anderem Sedna, Orcus und Eris. Das hat mich fasziniert, denn damit waren wirklich große Himmelskörper von teilweise weit über 1.000 Km Durchmesser neu in unsere Wahrnehmung getreten. Einige von ihnen wurden dann ja auch wenige Jahre später als Zwergplaneten klassifiziert und dem herab gestuften Pluto gleichgestellt. Mich hat es erstaunt, dass dies von Astrologen so wenig beachtet wurde, während der viel kleinere Chiron von den meisten inzwischen in die Deutung integriert worden ist. Ich dachte mir deshalb, diese Himmelskörper müssen doch eine Rolle in der Deutung spielen.
DAV: Dass es bei deinen Forschungen schwierig war, auf Erfahrungswerte zurückzugreifen, liegt auf der Hand. Wie kommst du zu deinen Erkenntnissen?
Rolf Liefeld: Ich orientiere mich dabei an drei Bereichen, dem Entdeckungshoroskop, der Mythologie sowie an Beispielhoroskopen, nicht zuletzt von berühmten Persönlichkeiten.
DAV: Da all diese Kleinplaneten sehr lange benötigen, um die Sonne zu umkreisen, vermute ich, dass du vor allem mit dem Stand in den Häusern, nicht in den Zeichen, arbeitest.
Rolf Liefeld: Nicht einmal das, dazu fehlen mir im Moment noch die Erfahrungswerte. Ich arbeite mit den Aspekten der transneptunischen Objekte zu den Achsen und zu anderen Planeten. Dabei berücksichtige ich nur sehr kleine Orben von weniger als einem Grad. Alles andere würde einer Beliebigkeit Tür und Tor öffnen, die ich als unseriös erachte.
DAV: Bei einer solchen Pionierarbeit dürfte der Austausch mit Kollegen wichtig sein. Findet der statt? Gibt es weitere Pioniere der Art?
Rolf Liefeld: Viele gibt es nicht, aber ich bin im Austausch mit dem Berliner Astrologen Werner Held, der ebenfalls dazu forscht. Auch Zane Stein, der erste Astrologe, der Chiron erforschte, hat einiges dazu publiziert.
DAV: Kannst du ein konkretes Beispiel nennen, wie sich die Bedeutung der transneptunischen Objekte zeigt?
Rolf Liefeld: Ja, nehmen wir Orcus. In der Mythologie war das eine der Bezeichnungen für den Gott der Unterwelt. So liegt es nahe, ihn mit Sterben, Sterbegleitung und Sterbehilfe in Verbindung zu bringen. Wer hat in diesen Gebieten Bahnbrechendes geleistet? Sicherlich in erster Linie Elisabeth Kübler-Ross. Also war meine Hypothese, dass sich Orcus in ihrem Horoskop dominant zeigen muss. Tatsächlich steht er in Opposition zu ihrem Saturn mit weniger als einem halben Grad Orbis: sie sah es als ihre Pflicht, sich mit dem Thema Unterwelt zu befassen. Auch bei Katastrophen mit vielen Toten steht Orcus im Ereignishoroskop häufig sehr prominent. Aber keine Angst: es gibt auch freundliche Entsprechungen von Orcus-Konstellationen.
DAV: Bei deinen Forschungen gehst du also auf Radixstellungen ebenso ein wie auf Transite.
Rolf Liefeld: Ja, und auch bei den Transiten gibt es ein aktuelles und sehr signifikantes Beispiel. Nehmen wir Typhon, in der Mythologie ein Gegenspieler von Göttervater Zeus, in moderner Sprache also jemand mit einem eigenen Glaubenssystem, der Gott herausfordert. Themen wie Moral und Glaube, aber auch Ideologie lassen sich deshalb mit Typhon assoziieren. Wer wurde in der letzten Zeit geradezu ein Symbol für die Verachtung jeder Moral, jedes anständigen Miteinanders und schuf sich seine eigene Ideologie? Niemand anders als der Filmproduzent Harvey Weinstein, der sein unakzeptables Verhalten gegenüber Frauen lange Zeit sogar noch verteidigt hat. Im Radix steht Tyhon im exakten Quadrat zu seinem Uranus und noch dazu im Quadrat zu Mond, Chiron und Saturn – Uranus als Rebell ließ ihn jede Moral verlieren, die Aspekte zu den anderen Himmelskörpern förderten ihn dabei, ein eigenes Universum zu schaffen, in dem nur seine Gesetze galten. Aber noch spannender ist ein Transit: Bei der ersten Veröffentlichung der Vorwürfe gegen Weinstein am 5. Oktober 2017 in der New York Times lief der transitierende Merkur bogenminutengenau in Opposition zu Weinsteins Typhon. Das ist doch in jeder Weise bemerkenswert.
DAV: Ja, allerdings. Wie sind die Reaktionen der astrologischen Gemeinschaft auf deine Forschungen?
Rolf Liefeld: Das Spektrum ist breit. Es reicht von echtem Interesse bis zum Stoßseufzer „oh Gott, schon wieder etwas Neues.“ Insgesamt sehe ich, dass sich einiges bewegt. Vor allem Eris und Orcus haben so etwas wie einen Siegeszug angetreten und werden immer häufiger in die Deutung integriert, ebenso Nessus, wie Chiron einer der Zentauren. Ich betone dabei immer die exakten, engen Orben, damit die Deutung nicht zur Beliebigkeit verkommt.
DAV: Da du so tief in der astrologischen Forschung steckst, wäre es noch interessant zu erfahren, wie du überhaupt zur Astrologie gekommen bist.
Rolf Liefeld: Sie war mir nicht in die Wiege gelegt, ich war zunächst ein großer Skeptiker. Ich besaß eine eigene Firma für Garten- und Landschaftsbau. Damit geriet ich jedoch 2000 in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Eine meiner letzten Kundinnen war Astrologin, und sie bot mir an, ein Horoskop für mich zu erstellen. Ich wusste zunächst nicht, was das sollte und bestand dann darauf, dass es eine Computerdeutung werden müsse. Ich dachte, die Frau kennt mich, da fließt dann vieles ein, was sie über mich weiß. Ein Computer aber ist neutral und kann mich nicht kennen.
DAV: Und wie war das Ergebnis?
Rolf Liefeld: Ich war total beeindruckt. Es war eine Deutung, die wirklich nur auf mich gepasst hat. Da wusste ich, an Astrologie ist etwas dran und ich habe begonnen, sie mir im Selbststudium beizubringen. Zudem war es – krisenbedingt – auch eine intensive Zeit der Selbsterkenntnis.
DAV: Falls du auch astrologische Biografiearbeit betrieben hast, welche bedeutenden Transite oder sonstige Auslöser gab es zu der Zeit?
Rolf Liefeld: Dem bin ich natürlich nachgegangen. Uranus lief damals über meinen MC, also eine durchaus signifikante Konstellation.
DAV: In der Tat. Herzlichen Dank für den Einblick in deine spannenden Forschungen. Wir freuen uns sehr auf weitere Erkenntnisse durch deinen Vortrag auf dem Kongress Ende September.
Mehr über die Arbeit von Rolf Liefeld:
https://top-astro.de
Das Interview führte Klemens Ludwig.