Interview des Deutschen Astrologen-Verbandes
mit Birgit von Borstel
„In manchen Lebenssituationen sind klare Aussagen hilfreicher als ein bunter Strauß voller Möglichkeiten und Potenziale…“
Birgit von Borstel (geb. 10. Mai 1965 um 7.20 Uhr in Lübeck) hat Philosophie und Psychologie studiert. Viele Jahre hat sie in der Musikbranche gearbeitet, bevor sie sich 2006 als Astrologin selbständig gemacht hat. Ihre erste Berührung mit der Astrologie fand bereits im Alter von 16 Jahren statt. Auch für die Wurzeln und Ursprünge der Astrologie entwickelte sie frühzeitig ein besonderes Interesse, so dass sie sich in ihrer Praxis immer mehr der traditionellen Astrologie zugewandt hat, ohne die modernen Ansätze gänzlich aufzugeben.
Klemens Ludwig sprach mit ihr über die neu zu entdeckenden Schätze der Alten, die Stimmigkeit des siderischen Tierkreises sowie den Mut zu klaren Aussagen.
DAV: Du referierst auf unserem Kongress Ende September zum Thema ‚Finanzen im Horoskop aus traditioneller Sicht’. Der Kongress steht bekanntlich unter dem Motto „Money makes the World Go Round“. Gibt es einen spezifischen Ansatz der traditionellen Astrologie zu dem Thema?
Von Borstel: Bevor ich konkret darauf eingehe, möchte ich generell sagen, dass ich nach langjähriger astrologischer Praxis immer mehr zu der Erkenntnis gekommen bin, dass die traditionelle Astrologie Sachen benennt, die ansonsten in der modernen Astrologie aus guten Gründen tabuisiert sind. Sie ist viel konkreter in ihren Vorhersagen und dabei gleichzeitig zuverlässiger und treffsicherer. Ich mag diese Klarheit, denn das ist das, wonach viele Klienten fragen. Oder etwas poetischer ausgedrückt, in manchen Lebenssituationen sind klare Aussagen hilfreicher als ein bunter Strauß voller Möglichkeiten und Potenziale…“
DAV: Und diese Klarheit kannst du auch in finanziellen Angelegenheiten garantieren?
Von Borstel: Es macht für mich keinen Unterschied, ob es um Fragen der Partnerschaft, der Gesundheit, des Berufs oder der Finanzen geht. Ich wende die Methoden der traditionellen Astrologie an, von der ich inzwischen tief überzeugt bin.
DAV: Kannst du für alle, die nicht so tief im Thema sind, die wesentlichen methodischen Unterschiede kurz zusammenfassen?
Von Borstel: Sie unterscheiden sich technisch, in der Methode und in den Aussagen, die sie machen. Die Würden und Herrscher spielen eine sehr viel wichtigere Rolle, Uranus, Neptun und Pluto dagegen gar keine. Dafür gibt es Lospunkte und Fixsterne, und man arbeitet mit einem anderen Haussystem. Während in der modernen Astrologie keine wertenden Aussagen erlaubt sind, unterstehen in der Klassik alle Faktoren im Horoskop einer Hierarchie, so gibt es günstige und ungünstige Häuser, Aspekte, Planetenwürden etc., was deutlich konkretere und vor allem qualitative Aussagen ermöglicht. Das beginnt beim Geburtshoroskop, bei dem wir die Anlagen stärker hervorheben, als das Entwicklungspotential der modernen Astrologie. Wir können auch konkrete Aussagen über beruflichen Erfolg, Reichtum und Beziehungen machen. Zudem spielt das Stundenhoroskop als Teilbereich der traditionellen Astrologie eine wichtige Rolle.
DAV: Womit du bereits das Thema des Kongresses erwähnt hast.
Von Borstel: Ich werde in meinem Vortrag die Methoden vorstellen, mit denen sich die traditionelle Astrologie der Frage nach Reichtum und Macht annähert und wie sie zu klaren Aussagen kommt. Dazu bringe ich konkrete Beispiele von Personen, die jeder kennt, wie sich bei ihnen Erfolg zeigt, aber auch Aufs und Abs. Mehr möchte ich dazu noch nicht verraten, denn die Teilnehmer sollen ja neugierig werden.
DAV: Dann lassen wir das zunächst so stehen. Du arbeitest zudem mit dem siderischen Tierkreis, was nicht für alle traditionellen Astrologen der Fall ist.
Von Borstel: Ja, das hat zwei Gründe, einen ganz praktischen. Nach meiner Erfahrung funktioniert der siderische Tierkreis besser als der tropische, zumindest im System der traditionellen Astrologie, er erscheint mir stimmiger. Der zweite Grund ist die Tradition. Wenn man genau hinschaut, erkennt man, dass bedeutende Astrologen wie bspw. Ibn Ezra bis ins 12. Jahrhundert hinein mit dem siderischen Tierkreis gearbeitet haben. Es gibt einen fließenden Übergang zum tropischen, und der geschah vermutlich viel später als bisher angenommen. Wir müssen uns klar machen, dass wichtige Regeln wie die Würden im Zusammenhang mit dem siderischen Tierkreis entstanden sind. Wir haben uns lange auf Ptolemäus und den tropischen Tierkreis gestützt, weil der als Quelle über die Jahrhunderte verfügbar war. Dabei war Ptolemäus eher ein Abweichler, und viele Untersuchungen belegen, dass andere Astrologen früher zumindest überwiegend, wenn nicht komplett mit dem siderischen Tierkreis gearbeitet haben, doch ihre Tradition war lange Zeit einfach verschwunden oder nicht zugänglich.
DAV: So tief in die Geschichte einzutauchen, um darauf für die Deutung im 21. Jahrhundert zu profitieren, ist ein sehr ungewöhnlicher Zugang.
Von Borstel: Für mich nicht. Das alte Wissen, gerade der Antike, hat mich schon immer fasziniert. Deshalb habe ich auch Philosophie studiert, darin aber keine Antwort auf meine Fragen nach dem Sinn gefunden.
DAV: Hast du denn Antworten in der Astrologie gefunden?
Von Borstel: Das habe ich. Ich bin bereits mit 16 indirekt durch meine Mutter auf die Astrologie gestoßen, und war sofort Feuer und Flamme. Für mich ist die Astrologie wie die letzte Bastion der Magie – erst recht die traditionelle! Da begegnen wir einer Art höheren Ordnung, etwas, das nicht sein darf in der modernen Welt. Aber es funktioniert. Und es gibt da noch einen Aspekt, den ich interessant finde: Die Alten sagten stets nach einer Deutung: „…so Gott es will“. Sie sahen also noch eine Macht, die über den Sternen steht. Das drückt eine gewisse Demut aus, die mir gefällt.
DAV: Bei aller Faszination für das Wissen der Alten, könnte man dem entgegnen, dass sich auf ihrer Basis vieles weiterentwickelt hat, das uns heute zur Verfügung steht. Der große Aristoteles hat zum Beispiel mit seinen Vorstellungen von einem erstrebenswerten Leben ganze Epochen stark beeinflusst, dennoch würden wir das heute nicht mehr wörtlich übernehmen. Oder als jüngeres Beispiel Siegmund Freud wird als Pionier hoch geschätzt, aber kaum noch jemand übernimmt seine Theorien genau so, wie er sie aufgestellt hat. Hat sich in dem Sinne nicht auch die Astrologie sinnvoll weiter entwickelt?
Von Borstel: Man kann das natürlich so sehen, aber wie erwähnt ist meine Erfahrung eine andere. Als ich mich intensiver auf die alten Bücher eingelassen habe, war zunächst auch mein erster Eindruck, ‚sie übertreiben mit ihren drastischen Aussagen’. Inzwischen verstehe ich, dass man das wie ein „worst case scenario“ lesen muss, einen Aphorismus, der absichtlich überzeichnet ist, damit man sich besser merken kann, was eine Konstellation bedeutet. Ihre Treffsicherheit, ihre Stimmigkeit ist faszinierend, und das liegt an ihrer Methode, die uns heute noch zur Verfügung steht. Außerdem: Die Fragen, die vor zweitausend Jahren gestellt wurden, unterscheiden sich kaum von den heutigen. Was die traditionelle Astrologie allerdings von der modernen übernehmen kann und sollte, ist eine einfühlsame und lösungsorientierte Art der Beratung.
DAV: Je klarer die Aussagen, desto größer die Verantwortung. Wie gehst du damit um?
Von Borstel: Das ist ohne Frage richtig. Ich muss deshalb meine Aussagen sehr gut erarbeiten und gut begründen. Über allem steht die Frage, „Wie hilft es den Klienten, die zu mir kommen?“ Daran orientiere ich mich, und ich bin mir der Verantwortung und Ambivalenz sehr bewusst. Es ist wie mit dem berühmten scharfen Messer. Man kann damit ein Brot schneiden oder jemanden umbringen. Wir besitzen mit der traditionellen Astrologie ein sehr scharfes Messer und damit müssen wir sehr vorsichtig, sehr bedacht umgehen. Das ist nicht immer einfach, aber wir werden reich belohnt, und dafür möchte ich die Community der Astrologen sensibilisieren.
DAV: Herzlichen Dank. Gewiss wirst du viele aufmerksame Zuhörer finden, wenn du die existenzielle Frage nach den Finanzen und der materiellen Versorgung mit den Kriterien der traditionellen Astrologie deutest.
Mehr Informationen über die Arbeit von Birgit von Borstel:
www.birgitvonborstel.de
Das Interview führte Klemens Ludwig.