Interview mit Martin Trosbach
„Poesie ist ein Bindeglied zwischen den Klangwelten und der Astrologie“
Martin Trosbach, geb. 27.12.1962 ist Musiker, Pädagoge, Heilpraktiker, initiatischer Therapeut und gepr. Astrologe DAV. Kreative Ansätze wie das Astrodrama liegen ihm bei der astrologischen Arbeit besonders am Herzen. Gemeinsam mit seiner Frau Susanne leitet er das Zentrum für kreative Seelenarbeit in Zell bei Regensburg. Er dichtet selbst und liebt daher Lyrik, insbesondere die romantische, das Singen, den Wald (vor allem den bayrischen…). Er ist nicht nur Steinbock, sondern auch hobbymäßiger Ziegenhalter. Klemens Ludwig sprach mit ihm über Hermann Hesses Verbindung zu den Sternen, die Rolle der Poesie und kreative Ansätze in der astrologischen Beratung.
DAV: Du bist verantwortlich für ein ganz besonderes Element auf dem DAV Kongress im Oktober, eine Hesse-Revue. Ein berühmtes Zitat von Hesse ist das Motto unseres Kongresses: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Insofern drängt sich eine solche Vorführung auf. Hatte Hesse einen besonderen Bezug zur Astrologie?
Martin Trosbach: Hesse hat sich mehrfach interessiert über die Astrologie geäußert, sich aber nicht näher darauf eingelassen und damit beschäftigt. Dennoch ist er aus zwei Gründen auch für uns Astrologen sehr interessant. Die Themen seiner Dichtung und Romane sind Themen, die auch uns Astrologen betreffen. Zudem hatte er einen ganz engen Bezug zu dem, was der kosmische Hintergrund der Astrologie ist. In etwa jedem drittem Gedicht ist von den Sternen die Rede. Wir hatten bei der Erarbeitung der Revue also keinerlei Probleme, Texte zu finden, bei denen es um Bezüge zur astralen Sphäre ging. Es war eher schwierig sie zu selektieren und aus der Fülle die besonders geeigneten herauszusuchen.
DAV: Wie lässt es sich erklären, dass jemand, der offenbar stark von den Sternen inspiriert wurde, sich von der Astrologie letztlich doch fern gehalten hat?
Martin Trosbach: Hesse hatte einen anderen Ansatz. Zum einen war er immer auf der Suche nach den höheren Sphären, dem höheren Sinn, kein Wunder bei seiner starken Schütze-Betonung. Dies war auch ein familiäres Erbe, denn seine Eltern waren schließlich Missionare in Südostasien. Darüber hinaus hatte einen sehr engen Bezug zur Natur, vor allem zur Nacht. Er machte in seiner Jugend oft wochenlange Wanderungen. Die direkte Erfahrung beim Anblick der Sterne sowie andere Phänomene der Natur waren eine ausgesprochen wichtige Inspiration für sein künstlerisches Schaffen, und das betraf nicht nur seine Dichtung, sondern auch seine Malerei, der er sich später gewidmet hat. Auch zu den vier Elementen hatte er eine enge Beziehung. Darin zeigt sich wieder die Analogie zur Astrologie, in der die Elemente ja auch eine wichtige Rolle spielen. Man kann sagen, Hesse hatte einen direkten Bezug zur astralen Ebene und somit sicherlich auch einen indirekten Bezug zur Astrologie!
DAV: Hat Hesse sein spirituelles Interesse individuell ausgelebt oder hat er auch den Kontakt zu Gruppen gesucht, von denen es zu seiner Zeit ja viele gab, wie die Theosophen oder verschiedene esoterische Orden?
Martin Trosbach: Hesse hat sich keiner Gruppe angeschlossen, dazu war er zu sehr Individualist, aber er wurde natürlich von außen inspiriert, vor allem auf seinen Reisen nach Süd- und Südostasien. Der Kontakt mit der hinduistischen und buddhistischen Kultur brachte ihm Konzepte wie Karma bzw. Dharma nahe, das heißt, die Prinzipien von Ursache und Wirkung bzw. schicksalshafter Bestimmung. Dabei erkannte er die beschränkte Sicht der westlichen Kultur und ihrer Denker.
DAV: Zurück zur Revue und zur Verbindung von Poesie und Astrologie. Wie haben die Astrologen auf die Idee reagiert und wie hast du die Teilnehmer gefunden, die die Revue gestalten?
Martin Trosbach: Es ist in der Tat eine Revue von Astrologen, es kann also sein, dass künstlerisch nicht alles perfekt ist. Ich habe mir bekannte Astrologen angesprochen und ihnen von der Idee erzählt. Die Reaktionen waren durchweg positiv, auch wenn nicht alle gleich zugesagt haben oder manche wieder abgesprungen sind, weil sie gemerkt haben, dass der zeitliche Aufwand zu hoch ist.
DAV: Das klingt nach einer sehr natürlichen Verbindung von Astrologie und Kunst.
Martin Trosbach: Nachdem Astrologie an sich schon hohe Kreativität verlangt, war ich nicht überrascht, dass sich Astrologen auch Einiges künstlerisch zutrauen. Ich kannte das ja schon vom Astrodrama von Friedel Roggenbuck, bei dem ich auch die Ausbildung gemacht habe. Diese ausgesprochen kreative Art, sich der Astrologie anzunähern, ist sicher vielen vertraut. Friedel war ja auch schon ein paar Mal auf einem DAV-Kongress zu Gast, um das Astrodrama vorzustellen.
DAV: Und was ist dein persönlicher Zugang zu Hesse?
Martin Trosbach: Ich bin ja primär Musiker und bei Hesse hat mich schon früh die Musikalität in seiner Sprache, in seiner Lyrik begeistert. Er war auch einer der wenigen moderneren Dichter, die den Reim nicht grundsätzlich abgelehnt haben. Das gefällt mir. Ich sehe darin auch eine Analogie zur Astrologie. Der Reim vertritt das konsonante Klangprinzip, wobei natürlich auch Spannung und Dissonanz in Musik und Lyrik eine große Rolle spielen. Ersterer entspricht den sogenannten harmonischen Aspekten im Horoskop, also Trigon und Sextil, letzteres den Quadraten und Oppositionen. Die Lyrik, wie Hesse sie verfasst hat, ist für mich deshalb auch ein Bindeglied zwischen der klanglichen Sphäre der Musik und der eher abstrahierten der Astrologie. Die Musik erreicht die Menschen emotional. Die Lyrik empfinde ich da als Bindeglied zwischen gefühlsbetonter und eher intellektuell-symbolischer Ebene.
DAV: Vermisst du die Emotionalität in der Astrologie?
Martin Trosbach: Ich sehe die Gefahr, dass sich die Astrologie bisweilen in zu viel Abstraktion verliert, zu technisch wird. Die Astrologie hat einen hochintellektuellen Anspruch. Um Deuten zu können, muss zunächst einmal viel Wissen angeeignet werden. Das finde ich durchaus wichtig, aber es reicht nicht für eine vollständige Deutung. Wir brauchen ein Gegengewicht, um die Menschen auch emotional zu erreichen, und das finden wir u. a. im therapeutischen Wirken zusammen mit astrologischem Wissen oder auf anderer Ebene in Musik oder Lyrik, Theater oder Tanz.
DAV: Dies wird in der Revue praktisch vorgeführt?
Martin Trosbach: Das ist unser Anspruch, denn in der Revue werden auch Themen transportiert, die sich in der Beratung wiederfinden. Wir haben verschiedene Stationen unter bestimmte Themenkreise gestellt, zum Beispiel „Aufbruch“, „Krise“ oder „Ironie & Humor“. Das dürfte jedem beratenden Astrologen vertraut sein.
DAV: Gibt es über Hesse hinaus weitere Dichter, die dich mit ihrer Lyrik besonders angesprochen haben und die du als Verbindung von Astrologie und der klanglichen Welt betrachtest?
Martin Trosbach: Natürlich ist Hesse in der Hinsicht nicht der einzige. Die Romantiker, vor allem Eichendorff und Novalis können da genannt werden. Dazu die Expressionisten, Rilke natürlich und auch Franz Werfels Lyrik spricht mich sehr an.
DAV: Herzlichen Dank, dann gibt es ja noch viel Stoff für schöne Revuen. Wir freuen uns sehr auf den besonderen Leckerbissen.
Die Hesse-Revue wird gestaltet von Martin Trosbach, Rafael Gil Brand, Gaby Marske-Power, Hannah Power, Alexandra Lion und Magdalena Winkels. Interessierte Kollegen/Kolleginnen, die gerne rezitieren, singen oder ein Instrument spielen, können gerne noch mit einsteigen.
Meldungen bitte per mail an: [email protected].
Das Interview führte Klemens Ludwig.