Argumente gegen die Astrologie?
Der Barnum- und der Forer-Effekt
In unregelmäßiger Folge greifen wir im Newsletter vermeintliche Argumente gegen die Astrologie auf und untersuchen sie auf ihre Substanz. Zwei Phänomene begegnen einem dabei immer wieder, der Barnum- und der Forer-Effekt. Damit erklären Skeptiker astrologische Evidenzen.
Ersterer basiert nicht auf einer wissenschaftlichen Untersuchung, sondern lehnt sich an den Zirkusdirektor und Politiker Phineas T. Barnum (1810 – 1891) an. Das frühe PR-Genie erklärte seinem Publikum, sein Kuriositätenkabinett enthalte für jeden etwas. Sein nachhaltig berühmter Werbeslogan lautete, «a little something for everybody».
Die Psychologie hat dies aufgegriffen und bezeichnet mit dem «Barnum-Effekt» die Neigung von Menschen, vage und allgemeingültige Aussagen über die eigene Person so zu interpretieren, dass sie als zutreffende Beschreibung empfunden werden. Dazu gehören Aussagen, die Grundängste oder Grundbedürfnisse ansprechen wie eine sichere Arbeitsstelle, eine gesunde Umwelt oder eine schöne Beziehung. Zudem zählt die Psychologie «sowohl … als auch»- und suggerierende Botschaften zu den Erscheinungsformen des «Barnum-Effekts».
In dem Zusammenhang wird auch der Astrologie unterstellt, sich auf «vage und allgemeingültige Aussagen» zu reduzieren, die nie wirklich falsch sein könnten, weil sie letztlich nichtssagend seien. Ihre Evidenzerlebnisse erziele sie häufig durch Suggestion.
Das mag für die sogenannten Zeitungshoroskope sogar stimmen, ist aber abwegig in Bezug auf seriöse Astrologie, die mit konkreten Radix-Horoskopen arbeitet.
In welche Sackgasse dies führt, zeigt die Weiterentwicklung des «Barnum-Effekts» durch Bertram R. Forer (1914 – 2000). Er war kein Zirkusdirektor, sondern ein renommierter amerikanischer Psychologe, der unter anderem die Beliebigkeit der Astrologie nachweisen wollte. Dabei griff er den «Barnum-Effekt» auf, um ihn wissenschaftlich zu untermauern. Nachhaltig berühmt wurde sein Experiment von 1948, mit dem er Student*innen einem vermeintlichen Persönlichkeitstest unterzog. Anschließend präsentierte er seinen Probanden ihre angeblich daraus resultierenden Charaktereigenschaften und bat sie, deren Realitätsgehalt einzuschätzen. Dazu stand ihnen eine Skala von 0 (unzutreffend) bis 5 (voll zutreffend) zur Verfügung. Die durchschnittliche Einstufung lag bei 4,26 Punkten, d.h., die Student*innen fühlten sich durch die Charakterzuschreibungen sehr gut getroffen.
Was Forer nicht verraten hatte, es gab gar keine Auswertung des Tests, sondern die «persönliche Charakterbeschreibung» war für alle gleich, egal, wie sie sich in dem Test selbst beschrieben hatten. So lautete die leicht gekürzte Beschreibung, in der sich fast alle Probanden wiederfanden:
«Sie sind auf die Zuneigung und Bewunderung anderer angewiesen, neigen aber dennoch zu Selbstkritik. Ihre Persönlichkeit weist einige Schwächen auf, die Sie aber im Allgemeinen ausgleichen können. Beträchtliche Fähigkeiten lassen Sie brachliegen, statt sie zu Ihrem Vorteil zu nutzen. Äußerlich diszipliniert und selbstbeherrscht, neigen Sie dazu, sich innerlich ängstlich und unsicher zu fühlen. Mitunter zweifeln Sie stark an der Richtigkeit Ihres Tuns und Ihrer Entscheidungen. Sie bevorzugen ein gewisses Maß an Abwechslung und Veränderung und sind unzufrieden, wenn Sie von Verboten und Beschränkungen eingeengt werden. Sie sind stolz auf Ihr unabhängiges Denken und nehmen anderer Leute Aussagen nicht unbewiesen hin. Doch finden Sie es unklug, sich anderen allzu bereitwillig zu öffnen. Manchmal verhalten Sie sich extrovertiert, leutselig und aufgeschlossen, dann aber auch wieder introvertiert, skeptisch und zurückhaltend. Manche Ihrer Hoffnungen sind ziemlich unrealistisch.»
Was hat das alles mit Astrologie zu tun? Bertram Forer erklärte, er habe diese Zuschreibung Zeitungshoroskopen entnommen. Seitdem gilt sein Experiment als wissenschaftlicher Beweis für die „Täuschung durch persönliche Validierung“ sowie die Beliebigkeit der Astrologie. Es gibt kaum eine Polemik gegen die Astrologie, die sich nicht auf den «Barnum-» oder «Forer-Effekts» bezieht.
Was aber sagt das Experiment wirklich über die Astrologie aus? Aus Forers Aufzeichnungen wird die astrologische Quelle nicht klar. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich um allgemeine Sonnenstands-Zuschreibungen gehandelt hat, wie sie in Zeitungshoroskopen eben vorkommen. Für ein einzelnes Tierkreiszeichen ist die oben zitierte Beschreibung entschieden zu lang. Forer hat offenbar die Charakterisierung verschiedener Tierkreiszeichen zusammengeführt. Dabei sind die Quellen so unklar und verschwommen, dass noch nicht einmal die einzelnen Tierkreiszeichen deutlich werden.
Hätte sich Forer die Mühe gemacht, für seine Probanden ein individuelles Horoskop zu erstellen, dessen Interpretation für alle gleich gewesen wäre und die Probanden hätten sich dennoch mit großer Mehrheit darin wiedergefunden, wäre dies ein Experiment, das auch von der Astrologie ernst genommen werden müsste. So, wie Forer gearbeitet hat, sagt sein Experiment aber nichts über die Evidenz der Astrologie, sondern nur etwas über Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung.
Wie unseriös gearbeitet wird, wenn es darum geht, die Astrologie zu diskreditieren, zeigt auch der Wikipedia-Eintrag zum Forer-Effekt. Wikipedia legt bekanntlich großen Wert auf seriöse Quellen. Zum Forer-Effekt heißt es: «Der Test – mit dem gleichen Text – wurde seitdem oft wiederholt. Der Durchschnittswert der „trifft zu“-Bewertung lag dabei stets um 4.»
Das Bemerkenswerte dabei, die Behauptung steht ohne jede Quelle im Raum – gewöhnlich ein Unding für den Anspruch von Wikipedia, in diesem Fall jedoch akzeptiert.
Ein ausführlicher Beitrag zu diesem Thema erschien in Astrologie Heute, Nummer 217, Juni/Juli 2022.