Astrologische Gedanken in einer besonderen Zeit
von Klemens Ludwig
Statt einer Zeit der Freude und Erwartung – wie immer man die kommenden Festtage persönlich betrachtet – dominiert ein wenig erfreuliches Thema die gesellschaftliche Debatte und die allgemeine Stimmung mehr denn je. Dem können auch wir uns nicht entziehen – versuchen doch gerade wir Astrologinnen und Astrologen, alle Herausforderungen und Themen durch das Wissen um die Qualität der Zeit zu verstehen und nutzbar zu machen.
Das birgt die Gefahr einer gewissen Überheblichkeit und deshalb muss zunächst deutlich betont werden, dass die persönlichen Tragödien von Menschen, die durch die Lockdowns ihre Existenz verloren haben; deren wichtigste Einnahmequelle der Weihnachtsmarkt ist – der nicht stattfindet; die durch das Virus langfristig geschädigt sind oder Angehörige verloren haben; die große Einsamkeit erleben, und manches mehr…, nicht durch astrologische Erklärungen relativiert werden können und sollen. Vermeintlicher Trost in der Richtung kann schal und abgehoben klingen. Nein, die Opfer der Entwicklung müssen vor jeder astrologischen Erklärung in ihrem Schmerz und ihrem Verlust gesehen werden.
Und dennoch ist es darüber hinaus legitim, die Qualität der Zeit auch und gerade in solch schwierigen Zeiten zu erfassen und Perspektiven aufzuzeigen, denn selbst der längste Zyklus kommt einmal an ein Ende.
Es gibt in der astrologischen Diskussion eine Kontroverse um die Frage, ob die Covid 19-Pandemie eher Pluto oder eher Neptun zuzuordnen ist. Als Erklärung für die Seuche als solche drängt sich Neptun auf, der seit Jahren in seinem eigenen Zeichen Fische steht. Das würde als Deutung für eine Pandamie von einem solchen globalen Ausmaß allerdings nicht ausreichen. Der amerikanische Mundanastrologe Ray Merriman hat deshalb auf einen anderen Zusammenhang hingewiesen: Neptun stand beim Ausbruch der Pandemie in Opposition zu den „aufgeladenen Graden“ der letzten Uranus/Pluto-Konjunktion in der Jungfrau, Mitte der 1960er Jahre. Dies nur als Hinweis auf eine wenig beachtete Konstellation, über die bei Ray Merriman mehr nachzulesen ist.
Plutonisch-dramatisch sind zweifellos die Folgen. Das drängt sich astrologisch deutlich auf, denn Pluto war 2020 so stark betont wie seit Jahrhunderten nicht mehr: Konjunktion Saturn, dreifache Konjunktion Jupiter, Konjunktion und dreifaches Quadrat Mars. Mitte November endeten all diese Konstellation mit dem 3. Durchgang der Jupiter/Pluto-Konjunktion, und Plutos Einfluss schwächt sich ab. Stattdessen stehen wir kurz vor der Großen Konjunktion von Jupiter und Saturn, die zum ersten Mal seit 800 Jahren einen knapp zweihundertjährigen Zyklus in den Luftzeichen beginnt (von einem kurzen Vorgeschmack in der Waage Dezember 1980/Januar 1981 abgesehen). Damit dürfte es astrologisch auf der Hand liegen, dass der globale Höhepunkt der Covid 19-Pandemie im November erreicht wurde. Natürlich kommt die Entspannung nicht über Nacht und Versäumnisse der Vergangenheit, wie etwa in den USA, fordern ihren Tribut. Es dürfte allerdings kein Zufall sein, dass nach der letzten Pluto-Konjunktion ein Impfstoff im großen Maßstab zur Verfügung stand, was zur Entspannung beiträgt.
Es gibt noch einen anderen Aspekt bei der Betrachtung der Qualität der Zeit: Ohne die oben angesprochenen persönlichen Tragödien relativieren zu wollen, hat die vor uns liegende Qualität der Zeit etwas von einem „Lockdown“. Sie kann kulturell auf verschiedene Arten betrachtet werden: Als Fest der Geburt Jesu Christi, dem Gründer des Christentums; als Wintersonnenwende und Wiedergeburt des Lichts; als Raunächte, in denen die Grenzen zur Anderswelt durchlässiger sind; oder, oder… Gemeinsam ist den Traditionen, dass es letztlich darum geht, nach Innen zu schauen, statt sich im Äußeren zu verlieren. Dazu könnte ein Lockdown eine Anregung, einen Impuls geben.
Klemens Ludwig