Bernadette Brady: Astrologie zwischen Chaos und Kosmos.
Schicksal, freier Wille und Ordnung des Lebens neu gesehen
Das Buch ist keine Neuerscheinung, aber eine ungemein wertvolle und Bewusst-seins-erweiternde Lektüre. Im Zusammenhang mit Bernadette Bradys Präsenz auf unserem Kongress und dem Interview soll es als „zeitlose Weisheit“ vorgestellt und von Herzen empfohlen werden.
Die australische Astrologin beschreibt zunächst, dass es zwei ganz unterschiedliche Arten gibt, die Welt zu erfassen: Nach den Prinzipien des Kosmos und den Prinzipien des Chaos.
Die kosmologische basiert auf dem Ursache – Wirkungs-Prinzip, ist zielgerichtet, logisch ableitbar, messbar, mechanisch und hierarchisch. Der Mensch ist die Krone der Schöpfung, die sich aus dem Prinzip ergibt, „ex nihilo nihil fit“ (Aus dem Nichts kommt nichts).
Die chaotische basiert auf dem Prinzip „Ordnung entsteht aus der Leere“, oder „creatio ex nihilo“ (Schöpfung aus dem Nichts). Sie ist zyklisch, komplex, mythisch, verwoben, pluralistisch, egalitär und der Mensch ist ein Teil von allem.
Seit der Antike haben die Menschen versucht, das chaotische Prinzip verschwinden zu lassen, Heraklit war dessen letzter bedeutender Vertreter; Newton zu Beginn der Neuzeit wollte ihm den endgültigen Todesstoß versetzen, was aber nicht gelungen ist. Die in der Physik heute populäre Chaostheorie ist gar keine neue Erkenntnis, sondern eine neue Ausdrucksform für ein altes System. Schaut man genauer hin, erkennt man viele Symbiosen aus beiden Systemen, schon in ganz profanen Dingen: Mannschaftssport etwa ist eine Verbindung aus einem geschlossenen System, den Spielregeln, und einem offenen, der Dynamik des Spiels. Das Leben bewegt sich zwischen Struktur und Spontaneität; die Astrologie zwischen Religion und Wissenschaft. In ihrer praktischen Anwendung ist sie eine Verbindung aus einem geschlossenen, kosmischen, System – dem Sonnensystem mit den vorhersagbaren Planetenbewegungen – sowie dem offenen, chaotischen System der komplexen Deutung.
Chaos-Theorie und Astrologie können konstruktiv zusammenkommen. Beide gehen von einer zyklischen, nicht-linearen Grundannahme aus, die nicht statistisch berechenbar ist. Prognostizierbar sind indes bestimmte Punkte, an denen Neues entstehen kann. Das Neue hat einen bestimmten Rahmen, ist aber nicht vollständig plan- oder prognostizierbar.
Das klingt nach viel Naturwissenschaft, ist aber leicht verständlich und nachvollziehbar dargestellt. Um neue Deutungstechniken geht es nicht, aber um eine großartige Erweiterung des astrologischen Horizonts. Ein Muss für jeden, für den Astrologie mehr ist als Charakterdeutung.
Bernadette Brady: Astrologie zwischen Chaos und Kosmos. Schicksal, freier Wille und Ordnung des Lebens neu gesehen. Astronova, Tübingen 2008, 216 S., geb. 24,90 € (ermäßigt 12,95 €)
Klemens Ludwig