Christentum und Astrologie – ein Widerspruch ?
Das alljährliche christliche Osterfest, die Feier der Auferstehung Jesu, macht den Blick frei für die Frage, woran wir glauben. Nach rein wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die Wiederauferstehung keine beweisbare Tatsache, sie ist vielmehr eine Glaubens- vielleicht auch eine Sinnfrage. Auch die Astrologie hat sich mit diesen immer wiederkehrenden Vorwürfen in Bezug auf ihre mangelnde Wissenschaftlichkeit, ihre statistische Beweisbarkeit auseinandersetzen müssen. Ist also Astrologie einfach nur eine Glaubensfrage, eine Art Ersatzreligion in Konkurrenz zum Christentum?
Astrologie und christliches Weltbild scheinen heute im Widerspruch zueinander zu stehen. Die Astrologie geht von der Grundannahme aus, dass sich planetarische Konstellationen und menschliche Charakter- und Entwicklungsstrukturen entsprechen. Der Mensch und alles irdische Geschehen stehen in einem kosmischen Zusammenhang. Im „herkömmlichen“ Christentum entscheidet sich der Mensch aus freiem Willen für Gott und damit gegen alle anderen bindenden Mächte. Heute ist die Kritik des Christentums an der Astrologie weit vertreten, aber eindimensional: Aberglaube, Wahrsagerei heißt es da – auch von prominenten Kirchenkritikern wie Eugen Drewermann.
Dabei diente gerade die Entwicklung der Astrologie im 20. Jahrhundert von bloßer Ereignisorientierung hin zu einer psychologisch orientierten Astrologie dazu, dem (christlichen) Vorwurf der Determiniertheit menschlichen Verhaltens und des Fatalismus zu begegnen. Der freie Wille ist vorhanden: Heute geht es bei der Analyse des Geburtshoroskops um Selbsterkenntnis und Entwicklungsprozesse der eigenen Person. Gerade diese Entwicklung, die gewachsenen Erkenntnismöglichkeiten der modernen Astrologie, hat zu ihrer Renaissance geführt. Vorwürfe entstammen heute weithin der Unwissenheit über die tatsächlichen Möglichkeiten astrologischer Analyse bzw. einem verkürzten Bild in der medialen Aufbereitung.
Dennoch waren sich Astrologie und Christentum einmal näher, als sie es heute sind. Melanchthon, Weggefährte Martin Luthers und Verfasser des Augsburger Bekenntnisses, war nicht nur Theologe, sondern auch bekennender Astrologe. Viele Päpste machten Gebrauch von der Astrologie, darunter Gregor XIII. Aufgrund der Notwendigkeit verlässlicher Zeitangaben ordnete er eine Kalenderreform an; seitdem gilt in der westlichen Welt der gregorianische Kalender. Dass Zeit nicht nur eine quantitative Größe ist, sondern die Qualität der Zeit im Mittelpunkt der Astrologie steht, war schon damals bekannt. Wallenstein, berühmter Feldherr im Dreißigjährigen Krieg und Mitglied der Böhmischen Brüder, ließ sich von Johannes Kepler, dem bedeutendsten Astronomen und Astrologen seiner Zeit, das Horoskop erstellen.
Gott hat nicht gewürfelt, mag man in Analogie zu Einsteins Aussage zur Quantenphysik sagen. Er spricht durch seine Schöpfung, zu der alle Materie im Kosmos zählt, natürlich auch die Planeten und Sterne. In Gottes Hand liegt also auch die Macht der Sterne, durch die er sich ausdrückt und den Menschen beeinflusst. Gott spricht durch seine ganze Schöpfung und leitet den Menschen an, mehr und mehr zu begreifen, wie denn Gott ihn gemeint wissen will. In diesem Sinne hält Gottes Schöpfung viele Wege, Mittel und Hilfen bereit, um zu uns selbst zu kommen. Astrologie kann für tolerante und aufgeklärte Christen ein Weg sein, um Gottes Schöpfung besser zu verstehen, wie etwa bei dem Benediktinerpater Gerhard Voss, dem die Untersuchung der Verknüpfungen zwischen Astrologie und christlichem Glauben viele Jahre lang ein Herzensanliegen war.
Wir alle suchen nach einem Sinn in unserem Leben. Bei den einen erfüllt die Astrologie ein Bedürfnis nach übernatürlichen, transzendenten oder metaphysischen Erklärungen für ihre aktuelle oder zukünftige Befindlichkeit. Die Erwartung metaphysischer Aussagen lässt per definitionem jede naturwissenschaftliche Kritik belanglos erscheinen. Hier verhält es sich nicht anders als mit den Weltreligionen, die jenseits der bekannten physikalischen Welt weitere Determinationen oder Existenzen unterstellen. Einen Gottesbeweis gibt es nicht, wohl aber einen Glauben an einen göttlichen Ausdruck, gleich, worin er liegt.