Der Bundesgerichtshof hat am 13. Januar 2011 über die Frage entschieden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vergütungsanspruch für eine Leistung besteht, die unter Einsatz übernatürlicher, magischer Kräfte und Fähigkeiten erbracht wird (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof III ZR 87/10, Fakten und Urteil weiter unten).
Dazu hat der Deutschen Astrologen-Verband folgende Haltung:
- Wir gehen für unseren Fall der seriösen Astrologie und der seriösen astrologischen Beratung nicht davon aus, dass es sich dabei um den Gebrauch "übernatürlicher" oder "magischer" Kräfte handelt, sondern um die Anwendung eines Erfahrungswissens. Uns ist aber bewusst, dass die derzeitige Rechtsprechung die Astrologie ohne nähere Untersuchung in die Ecke "objektiv unmöglicher" Leistungsangebote rückt.
- Der seriöse astrologische Berater klärt seine Klienten vor einer Beratung über Reichweite und Grenzen des diagnostischen Hilfsmittels Astrologie auf.
- Klienten schließen mit dem Berater einen Dienstvertrag ab, keinen Werkvertrag. Ein Werkvertrag stellt eine zu erbringende Leistung (z.B. akkurate Erledigung einer handwerklichen, technischen usw. Arbeit) in den Mittelpunkt, ein Dienstvertrag stellt einen Service (z.B. Beratung, Zeitaufwand) in den Mittelpunkt.
- Die Stundensätze eines/r seriösen astrologischen Beraters/in bewegen sich auf einem Niveau um 100 Euro. Eine Forderung von 6700 Euro für einen einzigen Monat Beratung wie im beschriebenen Fall lässt bei einem Stundensatz von 100 Euro an Abhängigmachung denken (mehr als zwei Stunden Beratung täglich!) oder bei sehr viel höheren Stundensätzen an Ausnutzung einer Zwangslage. Mit so etwas möchten wir uns nicht gemein machen.
Die Fakten
Eine Kartenlegerin hat im Jahr 2008 einen Klienten in verschiedenen beruflichen und privaten Fragen mit Hilfe von Kartenlegen beraten und dafür insgesamt 35.000 Euro erhalten. Für weitere Beratungen im Januar 2009 verlangte die Kartenlegerin rund 6700 Euro. In den Vorinstanzen (Landgericht, Oberlandesgericht) wurde ein Anspruch der Kartenlegerin grundsätzlich verneint, weil die versprochene Leistung auf den Gebrauch übernatürlicher, magischer Kräfte und Fähigkeiten gerichtet und damit objektiv unmöglich sei. Deshalb müsse der Anspruch auf Gegenleistung (Entgelt) gemäß § 326 Abs. (1), Satz 1 BGB, § 275 Abs. (1) BGB entfallen.
Das Urteil
Der Bundesgerichtshof hat die Angelegenheit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Auch der Bundesgerichtshof geht im Grundsatz davon aus, dass die versprochene Leistung objektiv nicht möglich sei. Diese Einschätzung gilt, wenn eine Leistung nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden kann. Das ist, so der Bundesgerichtshof, beim Versprechen des Einsatzes übernatürlicher, "magischer" oder parapsychologischer Kräfte und Fähigkeiten der Fall. Allerdings folgt dann nicht notwendig, dass ein Entgeltanspruch nach § 326 Abs. (1), Satz 1 BGB entfällt. Die Vertragsparteien können im Rahmen der Vertragsfreiheit sowie in Anerkennung ihrer Selbstverantwortung wirksam vereinbaren, dass eine Seite sich gegen Entgelt dazu verpflichtet, Leistungen zu erbringen, deren Grundlagen und Wirkungen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik nicht nachweisbar sind, sondern einer inneren Überzeugung, einem entsprechenden Glauben oder einer nicht rationalen, für andere Menschen nicht nachvollziehbaren Haltung folgen. Damit hat der Bundesgerichtshof die ganze Angelegenheit an das vorinstanzliche Berufungsgericht zurückverwiesen. Hier muss nun geklärt werden, ob sich Kartenlegerin und Klient in der Tat freiwillig und in Anerkennung ihrer Selbstverantwortung auf einen entsprechenden Leistungsvertrag geeinigt haben. Ebenso muss geklärt werden, ob der Vertrag – etwa, weil eine Zwangslage ausgenutzt worden ist – gegen gute Sitten verstößt und daher rechtlich nichtig ist.
Dr. Christoph Schubert-Weller
(2005- 2011 Erster Vorsitzender DAV)