Der Sternenhimmel im November 2014
Willkommen im „Wünsch-dir-was“-Monat, denn der November ist der Sternschnuppenmonat! Der Charakter des abendlichen Sternenhimmels ist herbstlich, auch wenn das Sommerdreieck (noch) im Westen zu sehen ist. Im Osten sind bereits die Wintersternbilder im Anmarsch. Das Sternenviereck Pegasus dominiert den Nachthimmel. Es steht im Süden und kann gut als Ankerpunkt genutzt werden, um weitere Sternbilder aufzufinden: Wassermann, Fische, Cetus, Cassiopeia und Perseus.
Sternschnuppen!
Auf ihrem Weg um die Sonne verlieren Kometen kleine Steine, Eisbrocken und Gase. Die Kometen sind längst weiter gezogen, ihren Staub haben sie zurückgelassen. Diese Staubteilchen verglühen in der Erdatmosphäre und erzeugen so die Sternschnuppen. Von Monatsbeginn an bis etwa Mitte November treten die (südlichen) Tauriden auf. Sie heißen so, weil sie aus dem Sternbild Stier zu kommen scheinen (Taurus = Stier). Ungefähr am 06.11. sind besonders viele Sternschnuppen zu erwarten – aber der Vollmond stört dieses Jahr! Pro Stunde gibt es ca. 5 bis 10 Sternschnuppen.
Der bekanntere Sternschnuppenstrom – die Leoniden (sie scheinen aus dem Sternbild Löwe zu kommen; Leo = Löwe) – erscheint zwischen dem 10.11. und 21.11.2014. Die Leoniden schenken uns ein richtiges Himmelsfeuerwerk: bis zu hundert Sternschnuppen pro Stunde können auftreten. Die Leoniden unterliegen einem 33-Jahre-Rhythmus, d.h. alle 33 Jahre treten sie besonders zahlreich auf. Das letzte Maximum war 1998 – also erst 2031 kommen wir wieder in den vollen Genuss. Das Maximum wird dieses Jahr am 17.11. erwartet.
Die sichtbaren Planeten
Merkur ist jetzt so gut am Himmel zu beobachten wie sonst nie. Bis zum 10.11. wird er immer heller. Am 01.11. (um ca. 05.45 MEZ) kann man ihn – mit etwas Glück – am besten sehen, er ist fast 19 Grad von der Sonne entfernt. Aber schon um 6.30 MEZ wird er wieder in der Morgendämmerung unsichtbar. Die letzte Chance, Merkur am Himmel zu erspähen, hat man am 15.11. Ab dann wird er wieder unsichtbar. Aus diesem Grund kann man sein Treffen mit Saturn am 26.11. leider nicht sehen. Am 05.11. zieht Merkur ein drittes Mal (nördlich) an Spica vorbei.
Venus hat ihre obere Konjunktion mit der Sonne gerade hinter sich. In ihrem Zyklus hat sie die Phase erreicht, in der sie ihre maximale Geschwindigkeit erreicht, aber noch unsichtbar ist. Die unsichtbare Venus sensibilisiert uns für die Energie anderer oder für die Dynamiken mit anderen und fördert ein stärkeres Vertrauen auf die inneren Werte und das Innenleben allgemein – und das mit einer hohen Geschwindigkeit. Sie bewegt sich aktuell auch wieder auf die Erde zu. Das Meeting der (unsichtbaren) Venus vom 13.11. mit (dem ebenfalls unsichtbaren) Saturn kann natürlich nicht beobachtet werden.
Mars läuft ziemlich schnell durch das Sternbild Schütze. Aufgrund seines Tempos und seiner leicht ansteigenden Deklination (Abstand vom Himmelsäquator) kann er abends nur noch kurz beobachtet werden: von ca. 17.30 bis 19.15 MEZ. Am 11.11. wandert er nördlich am Fixstern Nunki vorbei. Nach Ptolemäus liegt Nunki in der rechten Schulter des Bogenschützen und soll die Natur von Jupiter und Merkur aufweisen: ein religiöser Verstand und großer Wissensdrang, die gute Idee, das Streben nach höherer Erkenntnis. Nunki, alias Pelagus, ist einer der hellsten Sterne im insgesamt recht lichtschwachen Sternbild Schütze.
Der lateinische Name „Pelagus“ bedeutet das „offene Meer“. Das Wort „Nunki“ hat sumerische Wurzeln und bedeutet „Göttlicher Ort der Erde“, aber auch „Herr/in der Erde/Unterwelt“, denn in der sumerischen Religion gehörten Nunki auch zu den ursprünglichen Schöpfungsgottheiten. Nunki war auch die Bezeichnung der heiligen Stadt Eridu, dem Sitz des unterirdischen Süßwasserozeans Apzu, und auch der Stern der alten akkadischen Gestalt Gu-shi-ra-ba („Joch des Meeres“). In den alten chinesischen Mondhäusern legte er Nan-TEOU fest, den südlichen Scheffel oder Schöpflöffel, der den Kopf der Großen Schwarzen Schildkröte des Winters bildete – ein Symbol für staatliche Gerechtigkeit. Er markierte auch die Zeit, in der die Grenzen vor Dieben bewacht werden mussten, die die Wintervorräte rauben wollten.
Jupiter (im Sternbild Löwe) wird allmählich zum Planeten der gesamten Nacht (wenn man von den ersten Abendstunden absieht). Im November wird er etwas heller, wird deutlich langsamer und bleibt Ende des Monats fast ganz stehen. Am 14.11. gesellt sich zu Jupiter, der noch ein Stück von Regulus entfernt ist (und diesen erst im August 2015 exakt erreichen wird), der abnehmende Halbmond – ein toller Himmelsanblick (nach Mitternacht) am Osthimmel!
Ca. vom 01.11. bis zum 06.11. steht Jupiter in einer Beziehung zur Sonne, die man in der „Visual Astrology“ mit „Nibiru“ bezeichnet (der Zeitraum variiert je nach geographischer Breite und Länge etwas). Was „Nibiru“ genau bedeutet, weiß man bis heute nicht. Zum Beispiel setzte Zecharia Sitchin die These über die „Rückkehr des Planeten X“ in die Welt. Demnach hätten die Sumerer von einem zusätzlichen Planeten jenseits von Pluto gewusst, der Nibiru genannt worden sei (mit einer rund 3600-jährigen Umlaufbahn um die Sonne). Für diese These lassen sich aber in den Keilschrifttexten – anders als Sitchin behauptet – überhaupt keine Belege finden. Ich habe einmal die mir vorliegenden Keilschrifttexte (MUL.APIN, Enuma Anu Enlil (v. a. Tafel 5) und Astrolabe B) daraufhin durchgesehen, was sie uns in Bezug auf „Nibiru“ verraten: „Nibiru“ war jedes Jahr zu sehen und kann sowohl einen Stern als auch einen Planeten bezeichnen.
Wenn ein Planet gemeint ist, dann ist fast immer Jupiter gemeint (aber einmal wird auch explizit Merkur erwähnt). „Nibiru“ kann wohl auch ein „Fixstern“ sein, der in irgendeiner Beziehung zu einem Sternbild steht und ihn in seiner Bahn „hält“. „Nibiru“ wird immer mit folgenden Charakterisierungen versehen: ein „Positionswechsel“, eine „Kreuzung“ oder ein „Ort des Übergangs“ oder auch die „Teilung des Himmels“. Oft liest man „Fähre“, „Furt“, „Schwelle“ oder der Akt der „Überführung“ (einmal auch „Überführungsgebühr“).
In der „Visual Astrology“ sprechen wir von einem „Nibiru“-Jupiter, wenn Jupiter kurz vor Sonnenaufgang am Orts-Meridian steht. Das ist natürlich nur eine Hypothese, die zwar auch in den Keilschrifttexten zu finden ist, aber eben nur auch. Diese Hypothese hat sich in der Deutungspraxis aber bewährt und sich als bedeutsam herausgestellt. Visuell sieht es am Himmel so aus, als ob die aufgehende Sonne mit ihrem Licht verhindert, dass Jupiter kulminiert. Ein Jupiter, der außer Stande ist, seine Versprechungen einzulösen. Mundan kann ein Nibiru-Jupiter ein Ereignis symbolisieren, das nicht gelingt, das unvollendet ist oder zu nichts führt. Oder ein Mensch, der daran scheitert, eine Aufgabe zu vollenden, und/oder gerade im letzten Moment unterliegt, wenn der Erfolg quasi schon greifbar ist. Eine Zeit, in der wir kämpfen, um unseren eigenen Erwartungen gerecht zu werden. Der Erfolg wird vermutlich nicht eintreffen. Ein Nibiru-Jupiter scheint darauf hinzudeuten, dass die Reise alles ist und alles bedeutet. Die allgegenwärtigen Wachstums-Ideologien können einen Glauben machen, dass Erfolg und Wachstum stetig ansteigen müssten. Aber ein Nibiru-Jupiter symbolisiert etwas anderes: Wichtig ist die Reise und nicht der Erfolg oder die Trophäe am Ende. Der Weg ist das Ziel.
Saturn, direktläufig in der Waage, wird am 18.11. von der Sonne eingeholt und steht in Konjunktion mit ihr – er hält sich (mit der Sonne) am Taghimmel auf. Er bleibt unsichtbar und ist nachts auf der Himmelsbühne nicht präsent. Saturn geht in eine andere Welt. Auch sein Treffen mit Venus (13.11.) und Merkur (26.11.) können wir deswegen nicht sehen.
Der Fixsternhimmel
Norden
Zwischen dem Polarstern und Perseus liegen viele lichtschwache Sterne. In der Antike gehörten diese Sterne zu keiner Konstellation. Erst 1612/1613 führte der niederländische Pfarrer und Hobby-Astronom Petrus Plancius hier das Sternbild „Giraffe“ (Camelopardalis) ein, um diese „Himmels-Lücke“ zu schließen. Der Astronom Jacob Bartsch, ein Schwiegersohn von Johannes Kepler, übernahm das Sternbild 1624 (Atlas „Planisphaerium Stellaris“). Allerdings sah er hier keine Giraffe, sondern das Kamel, auf dem Rebekka (aus dem Alten Testament) zu ihrer Hochzeit ritt.
Mit einem Blick zum Zenit (wenn wir direkt senkrecht über uns schauen) erkennt man sofort das „Himmels-W“, die Königin Cassiopeia. Die mittlere Spitze des W deutet ungefähr auf den Polarstern. Lässt man vom Polarstern den Blick zum Nordhorizont hinunter gleiten, so stößt man auf den so genannten Großen Wagen, dessen sieben Sterne jetzt tief im Norden stehen. Da die Große Bärin (zu der der so genannte Große Wagen gehört) bei uns ein Zirkumpolarsternbild ist (d. h. wir können sie 365 Tage im Jahr am Himmel beobachten), liegt sie selbst in unterer Kulmination (wie momentan) über dem Horizont. Andere Sterne und Sternbilder in unterer Kulmination sind dagegen nicht zu sehen, weil sie unterhalb des Horizonts liegen.
Osten
Im Osten funkelt es nur so vor lauter hellen Sternen, denn die Wintersternbilder drängen allmählich auf die Himmelsbühne: Der Fuhrmann (mit Capella), der Stier (mit Aldebaran und den beiden offenen Sternhaufen Plejaden und Hyaden), Orion, das Wintersternbild schlechthin (mit Beteigeuze und Rigel) und die beiden Zwillinge (mit Castor und Pollux) ziehen die Blicke auf sich. Es fehlen nur noch der Kleine und der Große Hund. Sie werden aber zur Wintersonnenwende am Himmel zu sehen sein. Unterhalb von Perseus erscheinen die Plejaden, die Vorboten des kommenden Winters.
Die Plejaden sind und waren in fast allen Kulturen etwas Besonderes. Das Siebengestirn wurde erstmals in Sumer schriftlich als Sternbild erwähnt (MUL.MUL) und war die „Siebengottheit der großen Götter“. In den Höhlenmalereien von Lascaux (ca. 17.000-15.000 v. Chr.) findet man oberhalb der Zeichnung eines Auerochsen (Analogie zum Sternbild Stier?) sechs Punkte, die möglicherweise die Plejaden darstellen. Es gibt auch die Vermutung, dass die Plejaden auf der Himmelsscheibe von Nebra abgebildet sind.
Auf der Inselwelt Französisch-Polynesiens feiert man einmal im Jahr das Plejadenfest. Der japanische Name der Plejaden ist „Subaru“. Das Logo des gleichnamigen Autoherstellers zeigt sechs Sterne in ähnlicher Anordnung wie die Plejaden am Himmel. In der Kulturgeschichte hatte dieser Sternhaufen in der Schulter des Sternbildes Stier viele Namen. So kennt der Volksmund die Bezeichnung „die sieben (weinenden) Schwestern“, „Glucke mit Kücken“, „die Tauben“ und sogar „Blumenstrauß“. Die hellsten Sterne sind nach Gestalten der griechischen Mythologie benannt: dem Titanen Atlas, seiner Frau Pleione und ihren sieben Töchtern (Alkyone, Asterope, Celaeno, Elektra, Maia, Merope und Taygete).
Der Mythologie nach haben die Plejaden Dionysos und Zeus erzogen und wurden von Orion verfolgt. Zeus versetzte sie als Sternbild an den Himmel, doch auch dort werden sie noch immer von Orion verfolgt, der etwa 30 Grad südöstlich unter den Plejaden liegt. Schon immer wurde dieser Sternhaufen als „Augentest“ verwendet. Maestlin, ein Lehrer Keplers, behauptete z. B. ohne Sehhilfe elf Sterne erkennen zu können. Als Galilei sein Fernrohr auf die Plejaden richtete, konnte er bereits 36 Sterne sehen. Es ist eine Art Neujahrsfest, ein Fest der Fülle und des Wandels.
In der Fixsternastrologie genießen die Plejaden einen nicht allzu guten Ruf: „Die Plejaden, die kriegerischen Götter, die Pfeil und Bogen tragen, deren Aufgang Krieg bedeutet“ liest man z. B. in einer babylonischen Deutung. Der einzige Planet, der in den bislang vorliegenden Keilschrifttexten mit den Plejaden assoziiert wurde, ist Mars, der Gott, der im mesopotamischen Pantheon mit Abstand die schlechteste Presse hatte. Später wurden die Plejaden mit Augenproblemen (hier wird die Tradition des Augentest-Clusters aufgenommen) assoziiert. Auch Bernadette Brady deutet die Plejaden nicht nur harmonisch: sie würden schonungslose, kalte Visionskraft symbolisieren.
Unterhalb des Herbstvierecks (Sternbild Pegasus), das in den letzten Wochen ein Stück weiter nach rechts gewandert ist, kann man einen – ebenfalls lichtschwachen – Sternenkreis erkennen: einen der Fische des Sternbildes Fische. Der andere Fisch liegt am linken Rand von Pegasus. Unterhalb der Fische steht das Sternbild Walfisch (Cetus), das eigentlich ein Seeungeheuer ist.
Andromedas Sternenlinie, die vom Sternenquadrat des Pegasus abgeht, zeigt auf ein weiteres Herbststernbild – Perseus, der nun gut zu erkennen ist. Er hält ein gezücktes Schwert in der einen Hand und in der anderen das Haupt der Medusa. In diesem Medusenhaupt liegt der berühmt-berüchtigte, recht helle, bedeckungsveränderliche Fixstern Algol. Algol ist eine Doppelsonne, d. h. es sind eigentlich zwei Sterne, die umeinander kreisen. Dabei verdeckt der eine Stern immer wieder den anderen – so kommt es zu dem Funkeln. Haben die alten Griechen deswegen hier den magischen Blick der Gorgone Medusa verortet, der Männer zu Stein erstarren lässt? Unterhalb von Andromeda findet man das relativ unspektakuläre Sternbild Widder.
Süden
Rechts unterhalb von Pegasus liegt das lichtschwache Sternbild Wassermann. Auch Steinbock und Delphin sind im November hier zu sehen.
Westen
Im Westen dominiert in diesem Monat das geheimnisvolle Sternbild Herkules. Es ist das fünftgrößte Sternbild des gesamten Himmels, aber es besitzt nur relativ wenige helle Sterne. Das markanteste an diesem Sternbild ist sein Sternen-Trapez in der Mitte. Es grenzt im Norden an den Drachen, im Westen an den Bärenhüter, im Süden an den Schlangenträger und im Osten an den Adler und die Leier. Das Sternbild war schon in der Antike bekannt und wurde auch von Ptolemäus in seine Liste von 48 Sternbildern aufgenommen. Der mythologische Ursprung des Sternbildes ist unklar. Herkules ist auch als „Das Phantom“ oder „Der, der kniet“ bekannt. Er war auch Gilgamesch, der solare Held, der als erster Mensch nach Unsterblichkeit strebte. Die Phönizier nannten ihn Harekhal, und für die Griechen und Römern war er Herkules, der Name, den das Sternbild noch heute trägt. Unabhängig von seinem Namen – diese Gestalt wird in der Gegenwart des großen Bären und des Drachen als kniend (und auf dem Kopf) dargestellt. Diese Haltung entspricht exakt einer ägyptischen Hieroglyphe, die für einen Mann in seiner ordnungsgemäßen, gesellschaftlichen Position steht, der den Göttern dient. Das „Phantom“ nimmt diese Körperhaltung perfekt in einem Himmelsbereich ein, der für das Heilige reserviert ist: das Gebiet des Nordpols, um den sich das ganze Firmament dreht.