Astrologie ist eine Erfahrungsdisziplin
Von Klemens Ludwig
Skeptikern zufolge ist die Astrologie ein „vielfach widerlegtes Denksystem“. Allein ein solcher Satz wirft zu viele Frage auf, um sie hier zu erörtern. Ist die Astrologie ein Denksystem? Wie wurde sie widerlegt und was wurde widerlegt? Mehr als die sog. Prognosen der Trivial- und Tagespresse?
Ich möchte vor allem einer Frage nachgehen: Kann man die Astrologie überhaupt widerlegen? Oder – da die Astrologie der Polarität eine große Bedeutung beimisst – kann man die Astrologie beweisen? Beide Versuche entspringen demselben Weltbild, dem vermeintlich kritischen und unbestechlichen Geist, der sich durch die wissenschaftliche Methode offenbart.
Das Bedürfnis, wieder in den Schoß der Wissenschaft aufgenommen zu werden, ist bei manchen Astrologen ausgeprägt. In diesem Zusammenhang wird immer wieder C. G. Jung zitiert, der einmal gesagt hat, die Astrologie klopfe „wieder vernehmlich an die Türe der Universitäten“. Doch gibt es dafür Perspektiven? Oder provokanter gefragt, ist das überhaupt wünschenswert?
Um von der Wissenschaft anerkannt zu werden, müssen wissenschaftliche Methoden her, und das geht nur mit Hilfe von vermeintlich objektiven Zahlen und verifizierbaren Daten. So gibt es seit Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Versuche, die Astrologie durch Statistiken auf eine empirische Basis zu stellen.
Der Franzose Paul Choisnard und der Schweizer Karl-Ernst Krafft haben als erste im größeren Maßstab versucht, astrologische Zusammenhänge statistisch zu erfassen. Auf ihre Forschungen baute der Franzose Michel Gauquelin auf, der bis heute als wichtigster Statistiker unter den Astrologen gilt. Gauquelin arbeitete mit Radixhoroskopen. Da ihm bewusst war, dass Charaktereigenschaften statistisch nicht erfasst werden können, suchte er nach anderen Kriterien. Er konzentrierte sich bei seiner Arbeit vor allem auf den Beruf und untersuchte, ob die Angehörigen bestimmter Sparten wie Ärzte, Wissenschaftler, Sportler, Schriftsteller oder Soldaten über eine signifikante Betonung bestimmter Planetenprinzipien verfügten. Dabei würde er fündig. Bei Sportler fand er den Mars hochsignifikant betont, bei Schauspielern den Jupiter, bei Ärzten und Wissenschaftler den Saturn.
Gauquelins Forschungen wurden von Prof. Suitbert Ertel und anderen weitergeführt. Die Wissenschaft selbst hat kaum Notiz davon genommen.
Für großes öffentliches Aufsehen sorgte in den späten neunziger Jahren Gunter Sachs mit einer statistischen Studie, die er gemeinsam mit der Universität München erstellt hat. Dabei kam er zu dem für Astrologen durchaus schmeichelhaften Schluss: „Am Ende unserer Arbeit, nach der Computer-Auswertung von Millionen Daten, steht so der statistische Nachweis, dass Sternzeichen in allen von uns untersuchten Bereichen einen gewissen Einfluss auf das Verhalten von Menschen ausüben.“
Was aber wurde durch Gauquelin, Sachs und andere bewiesen? Bei Partnerschaften zum Beispiel fand Sachs heraus, dass sich unter den Widder-, Zwilling-, Schütze-, Steinbock- und Wassermann-Geborenen hochsignifikant viele befinden, die einen Partner mit dem selben Sternzeichen suchen, während sich Stier-Frauen und Waage-Männer “auffallend ungern“ binden.
Mal abgesehen von der Frage, ob eine astrologische Paarberatung besser wird, wenn nachgewiesen ist, dass sich Schütze-Frauen gern an Schütze-Männer binden, haben die Kritiker auch mit diesen Ergebnisse ihre Vorbehalte gegenüber der Astrologie nicht aufgegeben.
Wert der Erfahrungen
Astrologie ist eine Erfahrungsdisziplin, sie lässt sich weder beweisen noch widerlegen und sie widersetzt sich jeder Zuordnung zu akademischen oder sonstigen Kategorien.
Als Erfahrungsdisziplin erhält die Astrologie durchaus eine spirituelle Dimension. Kein Gott, keine Religion, keine Offenbarung, keine heilige Schrift lässt sich beweisen. Man kann daran glauben, oder es bleiben lassen.
Und der Glaube ist weit mehr als die berühmte Polemik „glauben heißt nicht wissen“. Glaube ist besonders glaubwürdig, wenn er auf persönlichen Erfahrungen beruht. Wer tiefer in die Astrologie einsteigt, wird erleben, dass es um mehr geht als „nur“ um Selbsterfahrung. Nicht nur die karmische Astrologie stellt die grundlegenden Fragen „woher komme ich, wohin gehe ich?“ – was Fragen wie „welcher Partner passt zu mir?“ oder „wann ist der beste Zeitpunkt für eine Investition?“ nicht ausschließt; zumal bisweilen vermeintlich profane Fragen zu grundlegenden Erkenntnissen und Einsichten führen können.
Die persönliche Erfahrung ist die große Chance, ja sogar die Basis der Astrologie, nicht ihre statistische Verifizierbarkeit. Die Tragik des Michel Gauquelin bestand darin, sich dieser Einsicht ein Leben lang widersetzt und damit letztlich einen Kampf gegen Windmühlen geführt zu haben, den er nicht gewinnen konnte. Mit 62 Jahren ist er freiwillig aus dem Leben geschieden, weil er die Ablehnung durch die Wissenschaft nicht verkraftet hat.
Erfahrungen können nicht bewiesen und nicht widerlegen werden, weil sie die Seele betreffen. Peter Orban bringt es auf den Punkt: „Auf der Seite der vermeintlich objektiven Wissenschaften hat sich die feste Überzeugung etabliert, daß eine theoretische Behauptung entweder ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ sei. Und man könne Belege dafür suchen, ob eine Annahme eher in die Richtung der Bestätigung oder eher in die Richtung der Ablehnung führt. Eine derartige Vorgehensweise – ‚Wissenschaft‘ – gilt freilich nur für den ersten Quadranten, also für alles, was in die Sichtbarkeit hineinragt…
Bereits der zweite Quadrant wirft da erheblich mehr Schwierigkeiten auf und ist eigentlich der wissenschaftlichen Durchdringung nicht mehr zugänglich. Eine Frage wie ‚Verlieben sich Katholiken häufiger als Protestanten?‘ kann kaum noch gefragt werden, denn die Merkmalsdimension ‚Verliebtsein‘ ist wissenschaftlich nicht zu greifen. Verliebtsein affiziert die Seele und mit der „Seele“ hat man meßtechnisch große Probleme. Seelische Befindlichkeiten lassen sich nicht ‚beweisen’…“ (Peter Orban: Pluto, Reinbek 1989, S. 157f)
Für die Astrologie spricht, dass derartige Zusammenhänge zumindest von manchen Wissenschaftlern inzwischen anerkannt werden. Sie überschreiten dann bei weitem die Grenzen ihres Fachs. Begünstigt wurde diese Entwicklung dadurch, dass die Naturwissenschaft in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend an ihre Grenzen stieß. Ihre bahnbrechenden Forschungen führten zu immer neuen Fragen, so dass eine wachsende Zahl von Wissenschaftlern einen kosmischen Plan hinter dem Universum nicht mehr ausschließt. Von Albert Einstein stammt das Bekenntnis: „Ich behaupte, daß die kosmische Religiosität die stärkste und edelste Triebfeder wissenschaftlicher Forschung ist … Ein Zeitgenosse hat nicht mit Unrecht gesagt, daß die ernsthaften Forscher in unserer im allgemeinen materialistisch eingestellten Zeit die einzigen tief religiösen Menschen seien. Ihre Religiosität liegt im verzückten Staunen über die Harmonie der Naturgesetzlichkeit, in der sich eine so überlegene Vernunft offenbart, dass alles Sinnvolle menschlichen Denkens und Anordnens dagegen ein gänzlich nichtiger Abglanz ist.“ (Albert Einstein: Mein Weltbild, Frankfurt u. a. 1981, S. 17f.)
Wenn das nicht reicht, sei noch darauf verwiesen, welchen Preis die Psychologie gezahlt hat, um als Wissenschaft anerkannt zu werden. Sie musste sich der Statistik und Verifizierbarkeit vollkommen unterwerfen.
Klemens Ludwig
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