Seit Urzeiten schaut der Mensch in den Himmel. Wenn die Sonne untergeht, sehen wir mehr als nur den einen Stern, den Mittelpunkt unseres Sonnensystems, wir blicken in die Weiten des Kosmos und sehen die unglaubliche Vielzahl von leuchtenden Punkten, Sternenkonstellationen, die sich über die Jahrtausende unter verschiedenen Namen in das Gedächtnis der Menschen eingeprägt haben. Da gibt es den Orion, dessen markante Gürtelsterne im Januar gut zu sehen sind oder die Plejaden, deren Geschichte in verschiedenen Kulturen mit sieben Frauen in Verbindung gebracht wird. Als Stätte der Geburt, Transformation, Ende und Anfang neuen Lebens, wurde diese Konstellation beispielsweise gedeutet.
Geschichten und Vorstellungen über die Sternbilder haben die Menschen seit jeher fasziniert. Wie kamen sie nur darauf, die überlieferten Geschichten zu erfinden, die über jede einzelne Sternenkonstellation bekannt sind? Verwunderlich ist das nicht. Denn in den frühen Stadien der Menschheit war die Erde des Nachts dunkel. Umso deutlicher traten die leuchtenden Punkte hervor, die unsere nähere oder weitere kosmische Umgebung prägen. Entgegen der oft beschrieben Einfalt, die unsere Vorfahren angeblich gehabt haben sollen, erkannten sie vielleicht klar, dass der Kosmos die Geburtsstätte eben jener Erde ist, auf der sie die Weiten dieses Kosmos durchreisten.
Die Sterne waren somit der Ausblick auf ihre Vorfahren, die aus den himmlischen Gefilden zu ihnen herab sahen. Anders als wir heute, nahmen sie sich nicht getrennt von dieser uralten Weisheit der Sterne wahr. Sie sahen in ihnen, die in kosmischen, unvorstellbaren Zeitströmen blinkenden Geschichtenerzähler der Kosmogenese. Und sie wussten sich in ihrem Inneren – auf der Ebene des Bewusstseins, in der ein Mensch Zeitlosigkeit erspüren kann – unlöslich mit ihnen verbunden. Wie innen – so außen. Dieser Satz, muss man vermuten, war kein leeres Wort und auch keine intellektuelle Feststellung, sondern praktizierte Lebenswirklichkeit. Das Tanzen der Sterne über den Horizont durch die Erdbewegung ließ erahnen, dass diese alte Geschichte über den Zusammenhang von Erde und Kosmos täglich neu erzählt wurde. Und die Menschen hörten und sahen und ließen sich beeindrucken von den unvorstellbaren Dimensionen blinkender Diamanten am dunkelblauen Himmelszelt.
Die Poeten früherer Zeiten fanden wunderschöne Bilder dafür: Sie beschrieben den Himmel als Nut, die Himmelgöttin aus deren Brüsten die Milch herabtropfte. Die Milchstraße, der Blick auf die größere Sternen-Umgebung in der wir samt Sonnensystem baden, war für unseres Vorfahren der Inbegriff mütterlicher Fürsorge und ein Band, das Heimathafen war. Wenn Nachts die Lichter ausgingen, war dieser größere Raum, dessen Unendlichkeit grenzenlos schien, die Projektionsfläche für die Gemüter der Menschen, die ihr Dasein in dieser wunderbaren Weite wahrnehmen konnten. Wie hätten sie auf die Idee kommen sollen, von diesen Sternen getrennt zu sein? Wenn jedes Blinken signalisierte: Hier bin ich, hier bin ich. Die pulsierenden Lichtstrahlen eines Sterns in unterschiedlichen Farben – oder Wellenlängen, würde der Physiker sagen. Letztlich kommunizieren wir über Wellenlängen miteinander. Auch der Mensch hat dies letztlich herausgefunden und künstliche Objekte geschaffen, die „strahlen“ und uns Menschen miteinander verbinden sollen. Da hatte der Mensch vermutlich schon vergessen, mit den Sternen zu kommunizieren und vielleicht aus einem Mangelgefühl heraus, muss er sich auf etwas konzentriert haben, was sich technischer Fortschritt nannte.
Die Kommunikation mit unserer natürlichen Umgebung funktioniert über unsere Sinne. Hören, Fühlen, Sehen, Schmecken, Riechen, Tasten, und die höhere Wahrnehmung. Jegliche Schwingung – wie der Physiker sagen würde – wird in unserem Gehirn als Erfahrung bestimmter Art, Bild oder Ton, Geruch, Geschmack oder Gefühl interpretiert. Das, was wir sehen, hören oder fühlen entsteht letztlich in unserem Gehirn und gibt uns ein individuelles Bild von der Wirklichkeit, die wir gerade erfahren. Es gibt bestimmt keine zwei Menschen, die einen Baum auf dieselbe Weise wahrnehmen. Diese Individualität in unserer Wahrnehmung kommt wohl daher, wie wir unsere Wahrnehmung geprägt haben, indem wir bestimmte Dinge bevorzugten und andere ausblendeten.
Vielleicht hatten unsere Vorfahren nicht dieselbe Art der Ablenkung zur Verfügung, die wir heute unseren Sinnen zur Verfügung stellen. Sofern sie in einer nahezu natürlichen Umgebung lebten, waren ihre Sinne auf die Natur, die Elemente, das Licht, die Dunkelheit und die darin erscheinenden Lichter, ausgerichtet. Da sie die Wetter-App nicht einschalten konnten, hörten sie stattdessen dem Wind zu, sie fühlten in die Atmosphäre. Sie betrachteten den Himmel und die Art seiner Wolken und kommunizierten auf diese Weise mit den Elementen und wussten – das Wetter.
Sie benötigten dafür keine Elektrizität, kein technisches Gerät und auch keinen Wettermoderator. Sie verwendeten schlicht ihr Gespür. Da ich auf einem Bauernhof aufgewachsen bin, kenne ich das noch aus eigener Erfahrung: Mein Vater verkündete stets, dass morgens um zehn Uhr das Wetter für den Tag festzustellen sei. Und danach wurde der Tag für die einzubringende Ernte oder die anstehenden Arbeiten geplant.
Ein Mensch ist nicht primitiv, weil er kein technisches Gerät benutzen muss, um durch seine Sinne zu erfahren, was er wissen muss. Ein findiger Mensch entwickelte einst eine Angel, aber vielleicht aus Mangel an Wissen. Denn Fische wurden früher auch mit der Hand gefangen. Dies funktioniert ebenso gut, wenn man weiß wie es geht. Man braucht aber dafür keine Ressourcen. Anhand dieser Beispiele könnte man vermuten, dass Erfindungen vielleicht manchmal von denjenigen gemacht werden, denen etwas fehlt: Nämlich das Wissen, wie es von selber ohne weitere Zutaten funktionieren würde.
Doch zurück zu den Sternen: Die, welche die direkte Kommunikation mit dem Leben verlernten und die annahmen, dass das Leben nicht bereits eine wunderbare Fülle an Unendlichkeiten ist, die im Menschen ihren Anfang nimmt, erfanden vielleicht die künstlich erzeugte Elektrizität, Computer, Handys, Fernsteuerung, KI. Um zu kommunizieren, sind sie nun genau darauf angewiesen, was unsere Vorfahren noch ohne all dies fertig brachten. Ihre Kommunikation mit Sternen erzählte ihnen, worüber Astrologen heute rätseln, woher das Wissen wohl kam. Es ist da. Wir haben aber verlernt, es direkt wahrzunehmen. Wir könnten die Sterne als unsere Ahnen betrachten, die uns von Ferne zublinzeln. Und auf dem langen Weg, den ihr Licht zu uns macht, bleibt die Information unversehrt. Neben unseren Sinnen gibt es da auch noch die höhere Wahrnehmung in uns. Intuition oder Herzenssinn. Dies könnte die eigentliche Verbindung zu den Sternen sein: Ich fühle, dass ich in meine kosmische Herkunft und zu meinen Ahnen schaue. Ein Stern als Ahne? Im Sanskrit wird Tara als Bezeichnung für einen Stern verwendet. Wobei dies eigentlich eine spirituelle Bedeutung hat. Es geht um das Licht, das in einen Moment der Zeit geboren wird. Aber trifft das nicht auch für uns zu? Sind nicht auch wir, ist nicht auch unser Bewusstsein ein Licht, das in den Moment scheint?
Sahen unsere Vorfahren ihr eigenes Licht von den Sternen zurück blinzeln? Sahen sie nicht die Geschichte des Kosmos? Fühlten sie nicht ihre irdische Abkunft von den Sternen? Und dieser Sinn, ihr intuitiver Gefühlssinn, sprach er nicht zu ihnen in der Sprache, genau dieser Sterne?
Nun wird unser innerer und äußerer Himmel dunkel durch zu viel künstliches Licht. Dieses Licht verwischt die Tiefe der Himmelsgöttin Nut als Hintergrund der leuchtenden Sterne. Unsere Ahnen verschwinden hinter einer Wolke von künstlichen Lichtern:
In den letzten zwei Jahren wurden Tausende von Satelliten in den nahen Erdorbit geschossen, wie Arthur Firstenberg (Autor, Der unsichtbare Regenbogen: Eine Geschichte der Elektrizität und des Lebens) hier in einem Bericht schreibt:
„Eine Gruppe kanadischer Astronomen hat einen Artikel in der Januar-Ausgabe 2022 des Astronomical Journal veröffentlicht. „Megakonstellationen mit Tausenden bis Zehntausenden von künstlichen Satelliten (satcons) werden derzeit entwickelt und gestartet“, schreiben sie. „Diese Satelliten werden negative Folgen für die astronomische Beobachtungsforschung haben und sind im Begriff, die Sternbeobachtung mit bloßem Auge weltweit drastisch zu beeinträchtigen.“ Sie analysierten, welche Auswirkungen es auf die Astronomie haben wird, wenn 65.000 neue Satelliten in niedriger Umlaufbahn gestartet werden. Auf dem 40. Breitengrad (Mitte der Vereinigten Staaten, Mittelmeerraum, Mitte China, Japan, Buenos Aires, Neuseeland), so die Autoren, werden mehr als 1000 dieser Satelliten von der Sonne beschienen und im Sommer sogar um Mitternacht am Himmel sichtbar sein. In höheren Breitengraden (nördliche USA; Kanada; der größte Teil Europas; Russland) werden Tausende dieser Satelliten die ganze Nacht über sichtbar sein.“
Von der Canadian Astronomical Society wurde ein Papier in Auftrag gegeben, in dem es unter anderem heißt:
„Mit bloßem Auge kann man bei der Beobachtung des Sternenhimmels von einem dunklen Standort aus etwa 4500 Sterne sehen… Sobald Starlink 12.000 Satelliten in der Umlaufbahn erreicht hat, werden die meisten Menschen in Kanada mehr Satelliten als Sterne am Himmel sehen.“
Wir haben unsere natürliche Kommunikation mit den Sternen aufgegeben. Wir verlangen Kommunikationsdienste von überall nach überall, von Mensch zu Mensch, von Gerät zu Gerät. Und gleichzeitig verfällt diese Jahrtausende währende Kommunikation zwischen uns und dem Kosmos. Etwas hat sich dazwischen geschoben.
Arthur Firstenberg berichtet weiter:
In einem Papier aus dem Jahr 2020 mit dem Titel „The environmental impact of emissions from space launches: A comprehensive review“ schrieben Jessica Dallas und ihre Kollegen von der University of New South Wales, dass „der Abbau der Ozonschicht eines der größten Umweltprobleme bei Raketenstarts von der Erde ist“. Im Jahr 2021 wurden 146 Orbitalraketen gestartet, um 1.800 Satelliten ins All zu bringen. Um 100.000 erdnahe Satelliten, die eine durchschnittliche Lebensdauer von fünf Jahren haben, zu erhalten und kontinuierlich zu ersetzen, wären mehr als 1.600 Raketenstarts pro Jahr erforderlich, also mehr als vier pro Tag, und das bis in die Zukunft.
In den Jahren 2020 und 2021 traten zwei der größten antarktischen Ozonlöcher seit Beginn der Messungen im Jahr 1979 auf. Das Ozonloch von 2020 war auch das am längsten andauernde in den Aufzeichnungen, und das von 2021 war nur ein paar Tage kürzer; es war größer als der antarktische Kontinent, begann Ende Juli 2021 und endete am 28. Dezember 2021. Alle geben immer noch den Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) die Schuld, die 1978 durch das Montrealer Protokoll verboten wurden. Niemand achtet auf die Raketenstarts, von denen es in den Jahren 2020 und 2021 mehr gab als in jedem Jahr zuvor. Zusätzlich zu den 146 orbitalen Starts im Jahr 2021 gab es 143 suborbitale Starts von Raketen in mehr als 80 Kilometern Höhe, also insgesamt 289 Höhenstarts im Jahr, also fast einen pro Tag.
Unser Blick auf die Sterne verändert sich. Können wir ermessen, was wir da verlieren? Haben wir vergessen, wie magisch eine Herz zu Herz – Verbindung ist? Wenn wir in den Sternenhimmel schauen, spüren wir das. Es ist unwiderruflich.
von Bettina Iraja Hegener
Über die Autorin
1968 im Sauerland geboren. Seit ihrer Kindheit beschäftigen Bettina Iraja Hegener die philosophischen Systeme des Ostens und ihre eigene Wahrnehmung von Raum und Zeit. Wie befasste sich eingehend mit Eutonie, Zen Meditation, KundaliniYoga, Tanz, Heilströmen und Geistigem Heilen. 2004 entdeckte sie die Vedische Astrologie, die ihr das faszinierende Erlebnis vermittelte, sich wie in einem Spiegel zu sehen. Zwei Jahre später folgte die Ausbildung in Psychologischer Astrologie beim DAV Hamburg.
2008/9 eröffnete sie ihre Astrologische Beratungspraxis und begann zugleich eine weitere mehrjährige Heilerausbildung in der Schule von Gerda Eyrich Dürr. Es folgten Jahre der Praxis, in denen sie auch ihr energetisches Coaching entwickelte. 2016 bot sie erstmals die Ausbildung für Innere Balance an, die verschiedene Aspekte ihrer Erfahrungen vereint. Seit 2016 ist sie in der Sambodha Meditationslehrer Ausbildung bei Aaravindha Himadra.