Tibetische Astrologie: eine Einführung
Die tibetische Astrologie ist eine Synthese aus der indischen und chinesischen Tradition. Dazu kommen spezifisch tibetische Elemente, die das Verständnis der Zeit betreffen. Wie die indische, so arbeitet auch die tibetische Astrologie mit dem siderischen Tierkreis. Die Vorlage für die Zeichnung ist rechteckig, die Häuser sind äqual und werden im Uhrzeigersinn eingezeichnet. Bei der Deutung stehen die sieben klassischen Planeten sowie die Mondknoten im Zentrum.
Wie in der indischen Tradition ist der Mond von großer Bedeutung. Die Legende vom Mond mit seinen 27 Häusern, die er bei seinem Lauf durch den Tierkreis besucht, hat in Tibet eine leichte Abwandlung erfahren. Dort begegnet der Mond 28 Göttinnen in ihren Palästen, doch um mit dem Lauf am Himmel im Einklang zu bleiben, wurden zwei Paläste zusammen gelegt, so dass es 27 Mondhäuser gibt.
28 ist jedoch eine wichtige Zahl für die Tibeter. Sie steht für die vier Könige der vier Himmelsrichtungen und die sieben Tage oder Planeten. Jeder der vier Könige hat sieben Töchter, deren Paläste um den Weltenberg Meru herum liegen, der wiederum häufig mit dem Tierkreis gleichgesetzt wird. Jeder der 27 Paläste hat eine andere Prägung und wird zur Deutung von Charakter und Zukunftsaussichten einer Person herangezogen.
Aus der chinesischen Tradition stammt die Grundlage für die Zeitrechnung. Die Vorstellung, dass zehn Himmelsstämme – die Elemente und Planeten – sowie zwölf Erdäste – der Zyklus der Zeit – unser Dasein prägen, hat die Tibeter dazu veranlasst, neben dem individuellen Tierkreis die Zuordnung von Jahren, Monaten, Tagen und Doppelstunden zu einem bestimmten Zeichen und Element zu übernehmen. Analog zur chinesischen Einteilung wird jedes Jahr von einem bestimmten Tierkreiszeichen regiert, das günstige und ungünstige Eigenschaften ausweist. Dazu kommen die fünf Elemente in männlicher und weiblicher Form, nämlich Wasser, Feuer, Erde, Holz und Metall.
In der astrologischen Praxis wird die Lebensspanne nach indischem Vorbild in neun ungleich große Epochen eingeteilt, die von den sieben klassischen Planeten sowie dem aufsteigenden und absteigenden Mondknoten beherrscht werden. Diese Zuordnung führt zu sehr konkreten Prognosen im Bezug auf beruflichen und finanziellen Erfolg, die Gesundheit und die persönliche Lebensgestaltung.
Die Astrologie gibt auch in der Medizin wertvolle Auskünfte, wo die Schwächen eines Menschen liegen und wo er Unterstützung benötigt. Insofern geht die tibetische Astrologie über die reine Prognose hinaus und dient auch dazu, psychische Muster und Prozesse des Individuums zu erkennen und zur Heilung beizutragen. Ein weiterer zentraler Anwendungszusammenhang der tibetischen Astrologie schafft eine direkte Verbindung von der profanen Welt hin zur spirituellen Welt der tibetisch-buddhistischen Ritual-Praxis. Für diese werden bestimmte Tage im jeweiligen Mondmonat mit Hilfe der Datumsauswahl berechnet, um so die höheren Energien aufzudecken und mit besten Ergebnissen nutzen zu können. Alles getreu dem Motto: zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, sein Bestes geben zu können zum Wohle Aller.