Frühe kosmische Kultstätten in Deutschland
Die beginnende Ferienzeit lädt ein, den räumlichen Radius ebenso wie den Horizont zu erweitern. Dazu sind nicht unbedingt weite Reisen nötig. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Kultstätten und Kraftplätze, die das Wissen der Alten bezeugen und eine Reise wert sind. Davon möchten wir Ihnen einige vorstellen, die unmittelbar mit Astral- oder Sonnenkulten in Verbindung stehen. Spätestens während der Jungsteinzeit vor etwa 7000 Jahren – vermutlich aber schon sehr viel früher – haben sich die Menschen bei ihren kultischen Handlungen nicht nur auf das beschränkt, was die Natur an heiligen Stätten und Kraftorten bot, sondern sie haben selbst welche geschaffen.
Die uns heute noch Zugänglichen sind nur ein bescheidener Hinweis auf die alte Herrlichkeit, und es war zumeist der sog. „Zufall“, der das eine oder andere Wunder ans Tageslicht gefördert hat: von der Entdeckung der Höhlenzeichnungen, die mit großer Wahrscheinlichkeit astrologische Bezüge enthalten, bis zur Sonnenscheibe von Nebra. Die Entdeckungen der letzten Jahrzehnte und die Erforschung der Objekte haben den Blick auf die Weisheit unserer Ahnen grundlegend erweitert. Offensichtlich wussten Menschen, von denen keine schriftlichen Aufzeichnungen überliefert sind, sehr viel über kosmische Zusammenhänge. Sie waren mit dem Lauf der Gestirne vertraut und haben ihr Wissen genutzt, um daraus Rückschlüsse auf ihr Leben zu ziehen.
Die älteste, bislang bekannte und rekonstruierte Kultanlage Deutschlands liegt im äußersten Süden von Sachsen-Anhalt, etwa auf halber Strecke zwischen Erfurt und Leipzig: Das Sonnenobservatorium von Goseck wurde etwa 4.800 vor Christus aus Palisaden errichtet. Die kreisrunde Anlage von 75 Metern Durchmesser ist mit drei Toren versehen. Durch das Haupttor schritten die Menschen in die Anlage hinein. Schräg links und rechts gegenüber finden sich zwei weitere Tore; genau ausgerichtet auf den Sonnenauf- und untergang zur Wintersonnenwende. Dass eine solche Anordnung mit Ritualen zur Wiedergeburt der Sonne an ihrem tiefsten Punkt zusam-menhängt, liegt auf der Hand. Zum Sonnenauf- und untergang am Tag der Sommersonnenwende sind Markierungen in den Palisaden angebracht.
Das Sonnenobservatorium ist zudem der südliche Ausgangspunkt für die sog. Himmelswege, eine Route, die außergewöhnliche astro-archäologische Stätten im Süden von Sachsen-Anhalt verbindet. Weitere Stationen sind Nebra (Fundort der Himmelsscheibe), Langeneichstädt (jungsteinzeitliches Großsteingrab mit Dolmengöttin) und Halle (Aufbewahrungsort der Himmelsscheibe von Nebra).
Letztere wurde während der frühen Bronzezeit, vermutlich 1.700 vor Christus, auf dem Mittelberg in Sachsen Anhalt geschaffen – nur 25 km von Goseck entfernt. Die Scheibe hat einen Durchmesser von 32 cm und zeigt zahlreiche kosmische Symbole, deren Zuordnung nicht eindeutig festgelegt ist. Ein goldener Kreis wurde zunächst als Sonne interpretiert, heute sehen die Archäologen darin eher den Vollmond, dem eine Sichel, Symbol für den Neumond, beigeordnet ist. Dazu kommen eine Himmelsbarke und verschiedene Sternenkonstellationen, worunter die Plejaden im Sternbild Stier sein könnten.
Himmelsscheibe von Nebra
Quelle: DAV
Eine Theorie besagt, die Scheibe symbolisiere den Frühling (Plejaden und Mondsichel) und den Herbst (vollendeter Mond) sowie die Verbindung von Mond- und Sonnenjahr. Eine andere Theorie sieht die Scheibe als Objekt eines Mondkults. Danach stehen die insgesamt 28 kleinen goldenen Sterne für die Stationen eines Mondumlaufs. Das Rätsel wird sich nie lösen lassen, unbestritten ist, dass es sich bei der Scheibe um die älteste bekannte Darstellung kosmischer Konstellationen handelt.
Da unseren Vorfahren dieses Wissen nicht zugetraut wurde, hielt man die Scheibe zunächst für ein Handelsobjekt aus den mediterranen oder orientalischen Hochkulturen. Die Theorie ist widerlegt, denn der goldene Kreisbogen umspannt exakt den Radius des Sonnenuntergangs zur Sommer- und Wintersonnenwende am Fundort.
Ein ebenso spannender wie geheimnisvoller Ort ist der sog. Boitiner Steintanz, nördlich der Mecklenburgischen Seenplatte, auf halber Strecke zwischen Schwerin und Rostock. Drei Kreise bilden zusammen den „Großen Steinkranz“, ein vierter, 175 m ent-fernt, den „Kleinen Kreistanz“. Was auf den ersten Blick wie ein Megalithgrab aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als sehr viel mehr. Die Steinkreise waren offensichtlich Teil eines Sonnenkultes. Die bis 2 m hohen Findlinge sind so angeordnet, dass der Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende genau im Blickfeld liegt.
Womöglich handelt es sich gar um einen prähistorischen Steinkalender, denn für den großen Steintanz werden 28 Steinen angenommen, Symbol für den Umlauf des Mondes. Der kleine Steintanz zählt 13 Steine (davon 11 sichtbar) für 13 Mondmonate. 28 mal 13 ergibt 364 Tage. Dazu kam ein Neujahrstag zur Wintersonnenwende außerhalb der Zählung.
Auch die Johannissteine bei Lage in Ostwestfalen dienten offenbar einem prähistorischen Sonnenkult. Ihre Hauptachsen liegen rechtwinkelig zueinander, die eine ausgerichtet in die Nord-Süd-, die andere in die Ost-West-Richtung. Löcher in einem Stein ermöglichen den Blick exakt auf den Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende. Auch die Sommersonnenwende sowie die Tag- und Nachtgleichen lassen sich von den Johannissteinen aus bestimmen. Daher werden die Steine als prähistorische Kalenderanlage betrachtet. Tatsächlich dürfte es weit mehr als das gewesen sein. Nicht so gut freigelegte Findlinge in der Umgebung lassen vermuten, dass es sich um eine größere Anlage in Kreisform handelt. Insofern dürften die Steine nicht nur kalendarische, sondern kultische Bedeutung gehabt haben.
Aus der frühen Bronzezeit zwischen 2150 und 1700 Jahre v. Chr. stammt eine Kreisgrabenanlage von Schönebeck. Sie wurde aus Palisaden errichtet, deren Basis zwei große konzentrische Ringgräben mit einem Durchmesser von 80 m bilden. Mindestens fünf kleinere Kreise vervollständigen die Anlage in der Elbniederung bei Magdeburg. Ihre Entstehung und Nutzung fällt in die Zeit der Himmelsscheibe von Nebra, die knapp 100 Km (Luftlinie) weiter südlich gefunden wurde.
Nur 1,4 Km (Luftlinie) von der Kreisgrabenanlage bei Schönebeck entfernt, befindet sich ein etwa 200 Jahre älteres vorgeschichtliches Heiligtum, die Kreisgrabenanlage von Pömmelte-Zackmünde. Zentrum der Anlage ist ein Kreisgraben mit vier Öffnungen nach Nordwesten, Nordosten, Südosten und Südwesten. Der Graben wurde nach Innen von einer Palisadenreihe umgeben. Die Anlage war Basis für einen Sonnen- und Sternenkult. Die vier Zugänge markierten die Sonnenauf- und untergänge zu den Jahreszeitenfesten (Tag- und Nachtgleichen, Sonnenwenden).
Schließlich noch zwei Tipps für den Süden: Um etwa 5.000 vor Christus verbreitete sich von der Donau aus die Tradition, innerhalb von Siedlungen Rondelle, bzw. Kreisgräben zu errichten. Manche weisen eine kreisrunde, andere eine elliptische Form auf. Mit Hilfe der Luftarchäologie wurden etwa 120 solchen Anlagen in Zentraleuropa gefunden, die meisten in Österreich und der Slowakei. In Deutschland geht man von 33 aus, die Mehrzahl in Bayern und Sachsen-Anhalt. Die relativ gut rekonstruierte sog. Ellipse von Meisterthal bei Landau an der Isar gibt eine Ahnung von den alten Kulten. Sie ist in west-östliche Richtung ausgerichtet. Steht man im südlichen Brennpunkt, kann zur Sommersonnenwende der Sonnenaufgang durch das östliche Tor und der Untergang durch das westliche Tor beobachtet werden. Offensichtlich liegt der Konstruktion wie bei ähnlichen Anlagen ein Sonnenkult, evt. auch ein Astralkult zugrunde.
Der Druidenhain von Wiesental in der Fränkischen Schweiz – ziemlich genau im Dreieck Bamberg, Bayreuth, Nürnberg gelegen – ist ein besonders mystischer Ort. Ob eine beeindruckende Steinformation natürlich oder von Menschenhand geschaffen wurde, wird sich nie zweifelsfrei ermitteln lassen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war der Ort schon lange vor den Kelten ein wichtiger Kultplatz; Schätzungen reichen bis vor 37.000 Jahren zurück.
Die Anordnung der Steine macht deutlich, dass es sich um ein Sternenobservatorium der Vorzeit handelt. Ein wichtiger Bezugspunkt der Anlage ist der „Sternstein“, der genau auf einer von Ost nach West ausgerichteten Ley-Linie liegt, einer geomantisch starken Verbindung. Dahinter befinden sich in 13 parallelen Reihen je vier Dolomitfelsen. Sie werden als Mondkalender gedeutet. Etwas abseits steht der sog. Taufstein mit einem runden Loch in der Mitte. Zur Sommersonnenwende fällt der Strahl der Sonne genau hinein und erweckt den Eindruck, als würde die Umgebung durch die Bündelung energetisch aufgeladen.
Weitere Anregungen erhalten Sie in dem Buch von Klemens Ludwig und Reinhard Stiehle: „Die Straße der Astrologie. 444 himmlische Reiseziele in Deutschland“, Chiron Verlag Tübingen, 2017, 352 S., mit zahlreichen farbigen Abbildungen, 28,- €.