DAV-Interview mit Bernhard Firgau
„Es gibt Einflüsse aus dem Kollektiv, die in einem individuellen Horoskop nicht zu erkennen sind“
Bernhard Firgau, geboren am 26. April 1954, um 13:00 MEZ in Heidelberg, gepr. Astrologe DAV und Jurist, arbeitet in erster Linie als forschender Astrologe und Autor. Sein Forschungsinteresse richtet sich dabei auf die Verbindungen zwischen den Menschen und ihren Horoskopen. Auch die Mundanastrologie fasziniert ihn, weil sie ganze Menschengruppen zusammenfassend betrachtet. Zu seinen Publikationen zählen die Bücher „Schicksalsgefährten und ihr Sonnengeheimnis“ sowie „Praxisbuch Mundanastrologie“.
Klemens Ludwig sprach mit ihm über die Widerlegung von Zufällen, den Einfluss des Kollektivs und die Grenzen der Selbstbestimmung.
DAV: Du referierst auf dem kommenden Kongress über den „bestirnten Himmel in mir“ und sprichst dabei von „Freiheit und Zwänge in der Astrologie“. Das ist ein ebenso an-spruchsvolles wie weit gefasstes Thema. Kannst du das etwas eingrenzen?
Bernhard Firgau: Meine Ausgangsfrage war, ist das Horoskop allein Anzeiger für unser Schicksal? Oder spielen noch andere Faktoren eine Rolle? Wie ist der Einfluss der Familie, der Umgebung, gar einer Schicksalsgemeinschaft? Was verbindet Menschen, die gemeinsam in einem Bus oder einem Flugzeug sitzen und verunglücken?
DAV: Ist das wirklich ein Widerspruch? Sollte nicht ein von außen kommendes Schicksal auch im Horoskop erkennbar sein?
Bernhard Firgau: Nach dem bisherigen Stand meiner Forschungen kann ich sagen, es gibt Einflüsse aus dem Kollektiv, die in einem individuellen Horoskop nicht zu erkennen sind. Ein sehr vordergründiges Beispiel: Am 30. Januar 1945 versenkte ein sowjetisches U-Boot in der Ostsee die „Wilhelm Gustloff“ mit über 9.000 Menschen an Bord. Das war exakt der 50. Geburtstag vom Namensgeber des Schiffes, einem Nationalsozialisten der ersten Stunde, der in der Schweiz von einem jüdischen Studenten erschossen worden war. Ich frage mich, was verbindet die 9000 Menschen, die dort gemeinsam unterge-gangenen sind? Ein Multicombin wäre natürlich sehr hilfreich, aber es ist unmöglich, an all die Geburtstage heranzukommen. Es gibt ja keine verlässliche Liste der Passagiere.
DAV: Das ist eine bemerkenswerte Synchronizität, aber was ändert sich an den Ergeb-nissen, wenn ein Multicombin erstellt werden kann?
Bernhard Firgau: Es gibt bemerkenswerte Signifikanzen. Bevor ich auf deren Bedeutung eingehe, noch ein Beispiel: Kürzlich hat das Massaker an einer Schule in Parkland, Florida, die Welt erschüttert. Schauen wir uns das Multicombin der Opfer an, das es in diesem Fall gibt, dann kommt man auf ein bemerkenswertes Datum, den 16. November. An dem Tag wurde im Jahre 1871 die National Rifle Association gegründet, die wichtigste Lobby-Organisation der Waffenindustrie, die nach dem Parkland-Massaker so stark wie nie zuvor unter Druck geraten ist. Ich werde auf dem Kongress Beispiele von Schicksalsgemeinschaften präsentieren, die mich sehr beeindruckt haben, etwa, wie eine solche Gemeinschaft zunächst nicht vollzählig erscheint und die Signifikanzen erst dann offen zutage treten, wenn gänzlich unerwartet noch jemand dazu kommt.
DAV: Auch das ist eine bemerkenswerte Übereinstimmung, aber ich frage mich nach wie vor, was ist der praktische Nutzen davon?
Bernhard Firgau: Meine Forschungen, deren Basis ja ganz reale Fälle sind, erschüttern den Glauben an Zufälle fundamental. Wenn die Nachricht von einem Flugzeugabsturz oder einem Unglück mit vielen Toten durch die Medien geht, denken vermutlich die meisten, „es ist doch dem Zufall überlassen, wer dabei stirbt“. Unter „Zufall“ verstehe ich dabei, dass uns eine Gesetzmäßigkeit für die Zusammensetzung der Gruppe nicht erkennbar ist.
DAV: Gemeinhin wird die Frage „Zufall oder Schicksal?“ als Glaubensfrage betrachtet, die einen glauben daran, die anderen nicht; religiöse und spirituelle Menschen eher weniger.
Bernhard Firgau: Das sollte aber keine Glaubensfrage mehr sein, denn die These von dem Zufall ist für mich nicht haltbar. Es sind offenkundig andere Kräfte am Werk als der Zufall. Astronomische Fakten, z.B. Geburtsdaten der Beteiligten einer Gruppe, zeigen bei der Betrachtung eines einschneidenden Gruppenerlebnisses oft eindeutige Gesetz-mäßigkeiten. Und dabei geht es mir nicht um den Ehrgeiz, Zufälle zu widerlegen. Es geht um grundlegende Fragen von Verantwortung und Ethik bis in die Astrologie hinein, die jeden Astrologen berühren müssten.
DAV: Nämlich? Das klingt spannend.
Bernhard Firgau: Wir kennen ja in der Astrologie – grob vereinfacht ausgedrückt – zwei grundlegende Richtungen: Die psychologische, die von der Selbstbestimmung des Menschen ausgeht und ihn darin unterstützen will. Sie erklärt den bestirnten Himmel in mir. Dem gegenüber steht die klassische, die sehr stark von einem fremdbestimmten Geschehen um mich herum ausgeht, dem bestirnten Himmel über mir. Deswegen ist es nicht wirklich ein Widerspruch, sondern es sind einfach zwei verschiedene Ebenen. Es gibt Ereignisse, die im individuellen Horoskop nicht ablesbar sind. Unabhängig davon, wie bewusst und verantwortungsvoll ich mein Leben lebe, entsteht im Zusammenwirken mit den Horoskopen der Menschen in meiner Umgebung eine zusätzliche Dynamik. In einer globalisierten Welt werden wir immer mehr zu einer Schicksalsgemeinschaft und dem müssen wir auch in der Astrologie Rechnung tragen, wenn wir nach Eigen- und Fremdbestimmung fragen. In abgrenzbaren konkreten Gruppen wird das astrologisch sichtbar.
DAV: Um noch einmal auf die wichtige Frage zurückzukommen: Was machst du mit den Informationen, die du aus dem Multicombin einer Schicksalsgemeinschaft gewinnst; außer den Zufall zu widerlegen?
Bernhard Firgau: Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich auf dem Weg, das „Warum“ zu ergründen, erst wenige Zentimeter gegangen bin. Meine Forschungen zeigen allerdings die Grenzen der Selbstbestimmung. Das widerspricht manchen Größen wie Paracelsus oder Thomas von Aquin. Wir sind nur teil-selbstbestimmt. Dort, wo ich Teil eines Kollektivs bin, bin ich nicht allein, sondern unterliege einer Gruppendynamik. Darin erfahre ich die Grenze meiner Selbstbestimmung, auch wenn mir das vielleicht nicht sehr gefällt.
DAV: Und was bedeutet das für die Ethik? Du lehnst deinen Vortragstitel „Der bestirnte Himmel in mir“ – sicher nicht zufällig – an Immanuel Kant an, der mit dem „bestirnten Himmel über mir“ ethisches Handeln begründet hat.
Bernhard Firgau: Ich verstehe unter Ethik Handeln, das nicht auf Willkür basiert und altruistisch ist. Es muss nicht mit dem natürlichen oder von Menschen verfassten Recht identisch sein. Ich kann aber nur ethisch handeln, wenn ich frei und selbstbestimmt handele. Die Grenzen habe ich aufgezeigt. Im Kollektiv bin ich womöglich in Prozesse eingebunden, die andere mitbestimmen und damit auch meine ethische Handlungsmöglichkeit tangieren.
DAV: Wie kamst du zu dieser Art der astrologischen Forschung?
Bernhard Firgau:Letztlich durch Zeitungsberichte über kollektive Unglücke oder auch darüber, wie jemand sogar schon zweimal ein Flugzeug verpasst hat, das dann abgestürzt ist. Natürlich habe ich mich zunächst auch gefragt, „Ist das alles Zufall?“ Mit Hilfe des Multicombin habe ich mir dann – wie oben erwähnt – deutlich gemacht, dass es sich nicht um Zufälle handelt, sondern eine Verbindung zwischen den Opfern besteht, eben eine Schicksalsgemeinschaft. Vorher bin bereits zur Mundanastrologie gekommen, mit der spannenden Erkenntnis, dass abstrakte Gebilde wie Staats- oder Parteigründungen bis heute ihre Wirkung entfalten, auch wenn die Beteiligten aus der Gründungszeit gar nicht einzeln erfasst worden sind und heute oft schon tot sind. Das ist dann eher eine anonyme Schicksalsgemeinschaft im Gegensatz zu den hier vorgestellten Gruppen, die ein konkretes Gesicht haben.
DAV: Dass Astrologie auch Politik erklären kann, liegt auf der Hand. Hast du bei deinen speziellen Forschungen zu Schicksalgefährten auch dezidiert politische Fälle unter-sucht?
Bernhard Firgau:Sehr spannend ist vor dem Hintergrund ein anderes Schulmassaker, das von der Columbine High School in Colorado. Zwei Schüler haben im Jahre 1999 zwölf Mitschüler ermordet, und aus ihren Aufzeichnungen und Plänen geht hervor, dass sie noch eine weit größere Zahl an Opfern treffen wollten. Als Tag wählten sie mit Bedacht den 20. April, Hitlers Geburtstag. Betrachtet man jedoch das Multicombin der Opfer, kommt der 14. Mai heraus, das Datum der Gründung Israels nach dem Krieg, Symbol der Überwindung des von Hitler beabsichtigten Völkermordes.
DAV: Liegt es an deinem Beruf als Jurist, dass dich diese gesellschaftlichen Zusam-menhänge so interessieren?
Bernhard Firgau: Mein Beruf als Jurist schafft mir eine materielle Basis, hat aber keine ausschlaggebende Bedeutung für meine gesellschaftlichen Interessen. Schon früh bin ich über eine Tante, die Horoskope ausgerechnet hat, zur Astrologie gekommen. Später hat mich der Astrologe Thomas Schäfer im Fernsehen so beeindruckt, dass ich mich entschieden habe, bei ihm einen Kurs über Horoskop-Deutung zu besuchen. So bin ich immer tiefer in die Astrologie eingestiegen, bis ich eben auch gesellschaftliche Ereignisse und scheinbare Zufälle durch sie zu erfassen versuchte.
DAV: Herzlichen Dank für die Präsentation solch beeindruckender Zusammenhänge. Ich bin sehr gespannt auf die Vertiefung im Rahmen unseres Kongresses.
Weitere Informationen zu Bernhard Firgau auf der DAV-Homepage
Das Interview führte Klemens Ludwig.