„Im 3. Haus fragt man, wie es einem geht, aus dem 6. Haus erhält man die Antwort.“
Interview des Deutschen Astrologen-Verbandes
mit Brigitta Liebstückel.
Brigitta Liebstückel, geb. am 6. Oktober 1954 um 2:32 Uhr in Würzburg, gepr. Astrologin DAV, arbeitete nach Hotelfachschule und Dolmetscherschule u.a. bei Intercontinental Hotels, Accor und Hilton Hotel Group in verschiedenen Management-Positionen. Frühzeitig erlernte sie Astrologie im Selbststudium und absolvierte zu Beginn der neunziger Jahre eine Ausbildung bei Ernst Ott. Von 1995 – 1996 war sie Vorsitzende des DAV. In diese Zeit fiel auch die Entscheidung zur Selbständigkeit als Betriebsinhaberin (2 Hotels) und Unternehmensberaterin. Nach 20 Jahren Hotelgewerbe arbeitet sie heute als Coach und Lebensberaterin. Dabei verbindet sie Astrologie mit westlicher und buddhistischer Psychologie, MBSR und MSC (Mindful Self Compassion). Qi Gong, Yoga, Meditation sind ihre Ressourcen.
Klemens Ludwig sprach mit ihr über Intelligenz und Wahrnehmung, und deren Zusammenhang im Umgang mit Stress, die astrologische Zuordnung, sowie den Nutzen der Astrologie im praktischen Alltag.
DAV: Du stellst dich dem Thema „Wahrnehmungsfähigkeit und Intelligenz im Horoskop“. Lässt sich das wirklich in einer Radix erkennen?
Brigitta Liebstückel: Intelligenz als solches ist ein komplexes Thema, was man ja auch an den vielen Sparten sehen kann, in die man Intelligenz aufzuteilen versucht: Soziale, Emotionale, Mathematisch-technische, Bewegungsintelligenz, u.v.a.m.
Es geht mir mehr darum: Was machen die Menschen mit ihrer Intelligenz? Dahingehend verfestigen sich mittlerweile meine Erfahrungen. Ich bin auf Umwegen darauf gekommen. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit liegt auf Stress- und Burnout-Prävention. Dabei habe ich festgestellt, dass der Umgang mit Stress so individuell ist wie der Mensch selbst. Gleichzeitig ist es aber ein universelles Thema, das jeden betrifft. Also dachte ich mir, es muss im Horoskop Bereiche geben, um den individuellen Umgang mit Stress zu erkennen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Wahrnehmungsfähigkeit und Intelligenz eines Klienten seine Stresskompetenz wesentlich beeinflusst – ein tägliches Aktionsfeld.
DAV: Gibt es diese Bereiche, die allgemeingültig und gleichzeitig individuell anzeigen, wie jemand auf Stress reagiert?
Brigitta Liebstückel: Grundsätzlich geht es um die Wahrnehmungsfähigkeit, die im direkten Verhältnis zum Erleben von Stress steht. Unsere Wahrnehmungsfähigkeit bezieht sich sowohl auf das Außen- wie auf das Innenerleben. Je nachdem, wohin wir mit unserer Aufmerksamkeit gehen, erhalten wir von dort Empfindungsreize und kognitive Impulse. Dabei ist die Fähigkeit zur Wahrnehmung dessen, was intrapsychisch und intraphysisch abläuft, der erste Schritt, um zu erfassen, was gerade abläuft. An dieser Stelle entscheiden wir uns ganz automatisch, eine Situation als überforderndes „Problem“ oder als willkommene „Herausforderung“ zu sehen. Das ist für den Umgang mit Stress ein großer Unterschied.
DAV: Das ist aber nicht spezifisch astrologisch.
Brigitta Liebstückel: Das astrologische Wissens- und Erfahrungsgebäude verschafft uns mit seinem holistischen Ansatz in Verbindung mit seiner Struktur einen einzigartigen Vorteil gegenüber Ärzten und Wissenschaftlern, die sich sonst mit diesem Thema beschäftigen. Astrologisch wurde mir deutlich, dass diese Art von Selbstwahrnehmung im 6. Haus verankert ist. Dieses Haus ist meine Komfortzone, hier finde ich mein alltägliches Lebensglück, welches ich durch die Treue zu mir selbst und zu meinen Lebensplan erreichen kann. Gleichzeitig entscheide ich hier mithilfe meiner Wahrnehmungsfähigkeit: was will ich in meinem Alltag haben und was nicht? Es zeigt den – bewussten oder auch unbewussten – Abgleich, wie geht es mir, und wie steuere ich das. Das ist deshalb eine besondere Herausforderung, weil der Kontakt zu uns selbst im Alltag schnell verloren gehen kann. Der Imperativ der Selbstoptimierung führt dazu, ständig mehr von sich zu verlangen, ständig zu be- und zu verurteilen. Moderne Methoden des Managements sehen uns in einer VUCA-Welt, die permanent Entwicklungsreize setzt, aber auch schnell überfordert. VUCA steht für Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität), Ambiguity (Mehrdeutigkeit). In diesem Spannungsfeld ist es schwierig, im Kontakt mit sich selbst zu bleiben.
DAV: In welcher Weise hilft die Astrologie, sich in dieser VUCA-Welt zurechtzufinden?
Brigitta Liebstückel: Indem ich das 6. Haus genau anschaue und dessen Einbettung in das sonstige Radix-Gefüge. Wie bereits erwähnt, sind die Antworten auf Stresserlebnisse sehr individuell, so wie die Besetzung des 6. Hauses sehr individuell ist. Daneben schaue ich natürlich auf den oder die Häuserherrscher. Steht er z.B. ebenfalls in einem fallenden Haus, verfügt die Person über einen leichteren Zugang zur Lösung von Problemen, oder eben Herausforderungen, weil Persönlichkeitsanteile in fallenden Häusern durchlässiger sind und eher zur Reflektion bereit.
DAV: Das ist nachvollziehbar, aber dein Thema ist ja „Wahrnehmungsfähigkeit und Intelligenz im Horoskop“. Die Verbindung zum Umgang mit Stress erscheint mir nicht auf den ersten Blick gegeben.
Brigitta Liebstückel: Stresserleben ist heute eine lebensgestaltende Größe. Stress holt uns aus der Komfortzone. Wenn Menschen astrologische Hilfe suchen, befinden sie sich nicht mehr in ihrer Komfortzone. Es geht ja nicht nur um das, was wir umgangssprachlich mit „Stress“ etikettieren. Stresserleben liegt auch in körperlichen Schmerzen, in Verlust, wiederkehrenden Ängsten, Veränderung von Lebensumständen und dem eigenen Körper, etc. Um mit all dem zurechtzukommen, nutzen wir unsere Intelligenz.
Intelligenz wird heute allgemein als die Verarbeitungsgeschwindigkeit und Kapazität des Arbeitsgedächtnisses definiert. Die Arbeitsweise des Gehirns beeinflusst meine Wahrnehmungsfähigkeit, meine Intelligenz. Je ausgeprägter meine Fähigkeit ist, mich selbst, meine Umgebung, Lebenssituationen, möglichst ohne Wertung zu beobachten, desto größer meine Kapazität, konstruktiv mit Stress umzugehen. Da liegt der Zusammenhang auf der Hand. Die weiterführenden Fragen lauten, „Wozu nutze ich die wertvollen Ressourcen meiner Fähigkeiten und meine Intelligenz?“ „Wem diene ich?“ „Was dient mir?“ im Hinblick auf Lebensgestaltung und Stressmanagement.
DAV: Bei Intelligenz denke ich astrologisch eher an das 3. und 9. Haus als an das 6.
Brigitta Liebstückel: Im 3. Haus fragt man, wie es einem geht, aus dem 6. Haus erhält man die Antwort. Das 9. Haus fragt „ist es in Ordnung, dass es mir so geht?“, das 12. Haus sagt „wie auch immer, Hilfe kommt, wenn nötig.“ (erlöst). Um die beschriebenen Themen zu optimieren, ist ein förderlicher Austausch zwischen der Achse 3/9 und der Achse 6/12 nötig. In 3/9 werden die Themen angelegt, in 6/12 werden sie be- und verarbeitet, und die hier gefundenen Ergebnisse erneut in den Entwicklungskreislauf überführt. Das 6. Haus zeigt dabei die Fülle der Möglichkeiten auf, die man seinen Klienten in der Beratung anbieten kann. Es ist eben der Ort der Technik und des praktischen Nutzens, der ganz konkreten, direkten Unterstützung. Was macht ganz, was macht heil?
DAV: Wie bist du selbst auf diesen Weg gekommen? Dein beruflicher Werdegang im Hotel-Gewerbe dürfte das nicht unbedingt vorgezeichnet haben.
Brigitta Liebstückel: Doch, gewissermaßen schon. Das Hotelgewerbe hat nicht nur mit einer unglaublichen Anzahl von Menschen zu tun, sondern ist jeden Tag aufs Neue mit herausfordernden, unvorhersehbaren Situationen befasst, die unmittelbar einen hohen Stresslevel mit sich bringen. In meinem Betrieb mit etwa 50 Mitarbeitern war Stressbewältigung das tägliche Geschäft. In meiner Radix stehen Merkur und Saturn in Konjunktion im 3. Haus/Skorpion. Ich sehe darin sowohl Bedürfnis wie Aufgabe, ein Thema zu durchdringen. „Du willst da Meister werden“, fordert Saturn. Insofern war mein Bedürfnis, den Dingen auf den Grund zu gehen, schon immer ausgeprägt. Der ganzheitliche Ansatz der Astrologie ist faszinierend. Dazu kommt das interessante Phänomen, dass ich im Landgasthof „Zum Goldenen Stern“, in einem Ort mit dem bezeichnenden Namen „Himmelstadt“ aufgewachsen bin. Diesen karmischen Hinweis habe ich allerdings erst viel später verstanden…
DAV: In der Tat eine schöne Umgebung für eine Astrologin, auch wenn die Gastronomie nicht unbedingt deren direktes Betätigungsfeld ist.
Brigitta Liebstückel: Aber es hilft. Richtig betrachtet kann das durchaus der Fall sein. Ich bin zuhause sozusagen in einem öffentlichen Raum aufgewachsen, hatte schon von klein auf viele verschiedene Menschen um mich herum. Dadurch habe ich schon sehr früh die Erfahrung gemacht, wie unterschiedlich die Menschen sind, egal welcher Herkunft. Bedürfnisse werden unterschiedlich wichtig genommen, unterschiedlich durchgesetzt. Das hat mich immer fasziniert, und ich habe mir meine Gedanken darüber gemacht. Das hat mich als Teenie schon zur Astrologie gebracht. Mithilfe der Astrologie habe ich auch meinen ersten Liebeskummer überwunden. Die wesentlichen Grundlagen habe ich mir autodidaktisch mit Hilfe der Klassiker beigebracht, was es mir ermöglicht hat, im Freundeskreis Beratungen durchzuführen.
DAV: Hast du die Astrologie dann auch professionell betrieben?
Brigitta Liebstückel: Nicht in dem Sinne, dass ich davon gelebt hätte, aber ich habe sie immer mehr vertieft. Ende der Achtziger erfolgte mein Umzug nach Walldorf. Rein geographisch brachte das andere Möglichkeiten mit sich. Damals stellte sich die Frage, die Astrologie aufzugeben oder richtig zu betreiben. Ich habe mich für das zweite entschieden und eine Ausbildung bei Ernst Ott begonnen.
DAV: Die Astrologie in den beruflichen Alltag einer Hotelierin zu integrieren erscheint mir nicht einfach.
Brigitta Liebstückel: Im Gegenteil, die Astrologie war eine große Unterstützung. Ich habe – natürlich mit Zustimmung – die Horoskope meiner Mitarbeiter sowohl bei der Karriereentwicklung wie auch bei der Teambildung mit einbezogen. Auch darüber hinaus habe ich wertvolle Anregungen und Unterstützung für die Personalführung aus den einzelnen Horoskopen gezogen.
DAV: Inzwischen ist die Astrologie für dich aber offenbar nicht nur ein Hilfsmittel, sondern sie nimmt einen eigenständigen Raum in deiner Arbeit ein.
Brigitta Liebstückel: Ja, ich habe meinen Hotelbetrieb 2014 verkauft und kann mich seitdem wieder mehr der Astrologie und anderen Interessensgebieten widmen.
DAV: Danke für deine Anregungen zum intelligenten Umgang mit Stress, auf deren weitere Konkretisierung unsere Kongressteilnehmer sicher sehr gespannt sind.
Mehr Informationen über die Arbeit von Brigitta Liebstückel: www.fokus-achtsamkeit.de/
Das Interview führte Klemens Ludwig.