Interview des Deutschen Astrologen-Verbandes
mit Claudia von Schierstedt
„Ich will den Blick auf die herrschende Gesellschaftsordnung schärfen“.
Claudia von Schierstedt, geb. am 30. September 1967 um 14:43 Uhr in München, beschäftigt sich seit 1984 intensiv mit der Astrologie. Als astrologische Beraterin und Forscherin zählen die Stundenastrologie und die Elektion zu ihren Schwerpunkten. Seit 1993 betreibt sie intensive Forschungen auf dem Gebiet der Finanz- und Börsenastrologie.
Bei ihren umfassenden Forschungen in nahezu allen Bereichen und Schulen der Astrologie untersuchte sie eine Vielzahl von Techniken und Methoden. Ein Resultat war die Entwicklung des Astrologie-Programmes HERMES, das sie von 1991 bis 2004 zusammen mit ihrem Ehemann veröffentlicht hat.
Zu ihren Publikationen zählen: Astrologische Terminwahl: Durch Elektionen im Einklang mit der Zeitqualität, 1997. Finsternisse astrologisch deuten, 1999. Mit den Sternen reich werden. Astrologische Anlagestrategien, 2003.
Die professionelle Arbeit mit der Astrologie umfasst neben Forschungen und Datenrecherche das Erstellen von konkreten Prognosen, die mit Hilfe eines Handelssystems durch Direktinvestments am Markt umgesetzt werden.
Klemens Ludwig sprach mit ihr über ihre Forschungen in Sachen Finanzastrologie, die großen Konjunktionen und die Spannungen zwischen Individualität und Kollektiv.
DAV: Sie referieren auf dem DAV Kongress 2019 zu dem Thema „Kampf um die Macht“. Dabei betrachten Sie die Geldordnung als Ausdruck des Verhältnisses zwischen Individuum und Kollektiv und deuten es im Licht der Großen Konjunktion. Das klingt sehr umfassend. Können Sie die Substanz des Vortrags auf den Punkt bringen?
Claudia von Schierstedt: An Geldflüssen und der Geldordnung lassen sich die Machtverhältnisse ablesen. Das können gute Volkswirte für die Gegenwart und Wirtschaftshistoriker auch für einen vergangenen Zeitraum herausfinden. Wenn es uns als Astrologen aber gelingt, mit unseren Methoden die politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse für jeden beliebigen Zeitraum zu diagnostizieren, sind auch Prognosen für einen beliebigen zukünftigen Zeitraum möglich.
DAV: Nun können wir Astrologen aber gerade bei mundanen Prognosen nicht leugnen, dass es eklatante Fehltritte gab, vor allem bei den beliebten Wahlprognosen. Bill Clinton wurde vor seiner Wahl eine klare Niederlage prophezeit, seiner Frau Hillary ein sicherer Sieg und Martin Schulz haben viele Astrologen bedeutende Ämter nach der Wahl von 2017 vorhergesagt. So einfach scheint das mit den Prognosen nicht zu sein.
Claudia von Schierstedt: Im Einzelnen kann ich zu den genannten Beispielen natürlich nichts sagen, aber vermutlich war die Datenlage oder die verwendete astrologische Methode nicht ausreichend. Hillary Clinton hat zum Beispiel gern ihren AC manipuliert und Martin Schulz ihn möglichst geheim gehalten. Seriöse Prognosen sind nur möglich, wenn die Ausgangsdaten klar verifizierbar sind und ich mein astrologisches Werkzeug dem jeweiligen System anpasse. Ist diese Ausgangslage nicht gegeben, lasse ich die Finger von einer Prognose. Mir wurde im Laufe der Jahre immer bewusster, dass gerade die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der verfügbaren Daten der Schlüssel für zutreffende astrologische Aussagen ist. Das hört sich wie eine Binsenweisheit an, aber Tatsache ist eben auch, dass so viele falsche und unsichere Daten in Umlauf sind, die trotzdem dann einfach mal gedeutet werden. Auch gibt es d i e Mundanastrologie nicht. Es gibt eine Fülle an astrologischen Techniken und Faktoren, aus denen der Astrologe je nach Fragestellung die passende und zuverlässige Deutungsmethode entwickeln muss.
DAV: Bei der Börsenastrologie, mit der Sie sich intensiv beschäftigt haben, können Sie auf eine so eindeutige Datenlage zurückgreifen?
Claudia von Schierstedt: Wie gesagt, dort wo ich mich prognostisch betätige, ist das der Fall, sonst lasse ich es. Die Basis meines astrologischen Handelssystems sind Emissionsdaten von Wertpapieren, also Einzelhoroskope wie bei Menschen. Dabei handelt es sich um den ersten Handelstag der Aktie an der Börse. Der ist auf die Minute genau zu bestimmen. Bei der Deutung habe ich mein eigenes System entwickelt, das viele Elemente der Klassischen Astrologie enthält. Ich arbeite nur mit den sieben klassischen Planeten, nur mit den alten Herrschern, mit den ptolemäischen Aspekten, aber – und das ist meine Erfahrung – bis auf wenige Spezialsituationen (Übertragung des Lichts u.a.) nur mit applikativen Aspekten und dabei häufig nur mit dem nächsten Aspekt. Dabei musste ich viele beliebte und vertraute Deutungselemente über Bord werfen.
DAV: Zum Beispiel?
Claudia von Schierstedt: Jeder kennt die Überzeugung „mit Jupiter im 2. Haus gibt es nie Geldprobleme“. Das ließe sich leicht auf die Börsenastrologie übertragen, aber das stimmt nicht mit den Ergebnissen meiner Forschung überein. Jupiter im 2. Haus bedeutet nicht zwangsläufig materiellen Reichtum.
DAV: Auf welche Erfahrung blicken Sie inzwischen zurück?
Claudia von Schierstedt: Ich bearbeite im Rahmen meines Handelssystems etwa 6.000 Aktien pro Jahr. Die oben erwähnte Datenungenauigkeit kann ich mir im Börsenumfeld nicht leisten. Denn jeder Fehler kostet Geld. Die Daten sind die alles entscheidende Grundlage. Ich forsche seit 1991 im finanzastrologischen Bereich und habe in einem Zeitraum von 15 Jahren ein für mich gut funktionierendes zuverlässiges Handelssystem entwickelt, das ich nun seit über 10 Jahren in den Märkten selbst umsetze. Dieses Handelssystem ist für mich eines der objektivierbaren Ergebnisse, die ich mir von Anfang an von der Astrologie erhofft hatte.
DAV: In Ihrem Vortrag geht es aber noch um etwas viel Grundlegenderes, nämlich die gesellschaftlichen Machtverhältnisse, die Sie als Spannung zwischen Individuum und Kollektiv betrachten und im Licht der Großen Konjunktion interpretieren.
Claudia von Schierstedt: Das ist ein ausgesprochen spannendes Forschungsgebiet, weil es letztlich uns alle betrifft. Wir leben alle in der Dualität zwischen Individualität und Kollektiv; oder auf die Astrologie übertragen, zwischen der durch die Sonne symbolisierten inkarnierten Seelenpersönlichkeit und dem Kollektiv, das sich durch den herrschenden Zeitgeist ausdrückt und durch die sich etwa alle zwanzig Jahre bildenden Großen Konjunktionen zwischen Jupiter und Saturn geprägt ist. Derzeit leben wir in der Endphase einer ungefähr seit 120 Jahren andauernden Epoche, in der der Einfluss und die Macht der Kollektive auf das Individuum unaufhörlich gewachsen ist. Das Individuum sieht sich bei alltäglichen Vorkommnissen und Konflikten zunehmend als Einzelner mit grossen Systemen oder Monopolen konfrontiert, gegen die es seine selbstverständlichen Rechte kaum mehr durchsetzen kann. Dies betrifft alle Lebensbereiche. Die persönliche und vor allem wirtschaftliche Freiheit des Bürgers wird durch den Dreiklang regulieren, besteuern, verbieten immer mehr eingeschränkt.
DAV: Können Sie das konkret festmachen?
Claudia von Schierstedt: In der Lebenswelt des Individuums lässt sich dies am deutlichsten daran messen, wieviel Kaufkraft ihm nach Abzug aller Zwangsabgaben von seiner Arbeitsleistung bleibt. Als Daumenregel gilt hier: Sie müssen etwa 4 Stunden in Ihrem Fachgebiet arbeiten, um etwa 1 Stunde einen anderen Fachmann bezahlen zu können. Zum Vergleich: Vor der Jahrhundertwende gab sich der Staat noch mit weniger als dem Zehnten zufrieden. Das 20. Jahrhundert hat gezeigt, dass das Kollektiv Staat, wenn es im Besitz des Geldmonopols ist, dieses früher oder später missbraucht, um sich Geld beispielsweise für die Finanzierung von Kriegen oder für den Aufbau riesiger Überwachungsstrukturen (Stichwort Snowden) zu drucken. Durch das Drucken von Geld kann der Staat subtil und unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Bürgers, dessen Ersparnisse enteignen.
DAV: Da habe ich einen anderen Blick. Wann in der uns bekannten Geschichte hat es mehr individuelle Freiheiten gegeben als heute? – Von der sexuellen Orientierung über Berufs- und Partnerwahl bis zum sozialen Aufstieg. Über viele Jahrhunderte gab es keine Chance, seiner sozialen Schicht zu entkommen.
Claudia von Schierstedt: Zum Einen betreffen diese Freiheiten weltweit nur ein relativ kleines Territorium. Die große Mehrheit der Menschen in Asien, Afrika oder Südamerika verfügen nicht darüber. Zum anderen gab es auch schon früher begabte Menschen aus den unteren Schichten, die durch eine besondere Förderung Karriere machen konnten. Die individuellen Freiheiten sind allesamt Freiheiten, die den Staat nichts kosten und den Bürgern persönliche Freiheit vorgaukeln, während ihnen der Staat den überwiegenden Teil ihrer Lebensleistung wegbesteuert.
DAV: Das ist eine interessante Diskussion, die hier aber zu weit gehen würde. Deshalb lieber noch eine ganz andere Frage, wie sind Sie zu diesen ungewöhnlichen Schwerpunkten der astrologischen Aktivität gekommen?
Claudia von Schierstedt: Meine tägliche Beschäftigung mit Astrologie reicht inzwischen mehr als 34 Jahre zurück. Dabei war die Prognose mein Weg in der Astrologie. Ich wollte immer wissen, was an Astrologie dran ist und was damit möglich ist. Um darauf eine Antwort zu finden, schien mir die Prognose die naheliegendste Option, objektivierbare Ergebnisse zu bekommen, wobei mir auch klar ist, dass es nichts wirklich Objektives gibt, aber das ist ein anderes Thema.
Der erste Schritt waren dabei Ereignisprognosen für Menschen, basierend auf dem Radix. Später kam die sehr effektive Stundenastrologie mit ihren erfreulich konkreten Ergebnissen hinzu. Eine solche Prognosesicherheit wollte ich auch in der Mundanastrologie. Aufgrund ihrer großen Menge an zuverlässigen Daten entschied ich mich für die Erforschung der Finanzmärkte.
Aber die allgemeinen Markttrends gehen weit über Prognosen zu Börsenkursen hinaus. Sie stehen in Zusammenhang mit den sich durch den Zeitgeist verändernden politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die klassisch aus Mundanhoroskopen abzulesen sind. Das funktioniert, wie oben ausgeführt, am besten mit den großen Konjunktionen von Jupiter und Saturn.
DAV: Wie würden Sie Ihr Anliegen mit einem Satz umreißen?
Claudia von Schierstedt: Ich möchte den Blick auf die aktuell herrschende Gesellschaftsordnung schärfen, die an der Geldordnung ablesbar ist und auf dem Zeitgeist fußt, der durch die Großen Konjunktionen geprägt ist.
DAV: Herzlichen Dank für die spannenden und gewiss auch kontroversen Ausführungen. Auch wenn es noch etwas hin ist, wir freuen uns auf einen ungewöhnlichen Vortrag.
Mehr Informationen über die Arbeit von Claudia von Schierstedt:
www.hermes-astrologie.de
Das Interview führte Klemens Ludwig.