Interview mit Gerhard Höberth
„Die Astrologie wurde eine große Inspiration für meine künstlerische Arbeit“
Gerhard Höberth arbeitete zunächst als Computertechniker, Informatiker, Technischer Zeichner, Gärtner, Schafhirte, Grafiker und Kunstmaler, bevor er an der Universität Wien Philosophie studierte. Dazwischen beschäftigte er sich mit vergleichender Religionsforschung und unterzog sich parallel mehreren Einweihungswegen in traditionellen esoterischen Schulen und psychologischen Selbsterfahrungsprogrammen. Seit 1991 widmet er seine Zeit hauptsächlich der Astrologie, um deren philosophischen Grundlagen auf die Spur zu kommen und eine „astrologische Weltformel“ zu finden, die es ermöglicht, einerseits die astrologischen Komponenten auf ein Urprinzip zurückzuführen und andererseits die individuellen Erfahrungen der Menschen zu erklären, wenn sie sich auf die Astrologie einlassen.
DAV: Du wirst auf dem kommenden Kongress zum Thema „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde… – Der astrologische Kreis als Abbild der sechs Schöpfungstage“ referieren. Das geht an den Ur-Anfang zurück, und klingt spannend, löst aber auch Verwunde-rung aus. Wie kommst du zu dieser Verknüpfung?
Gerhard Höberth: Der tiefere Einstieg wurde durch eine Frage angestoßen, die ich nicht beantworten konnte. Ich hatte 1997 über das Lambdoma-Symbol des Pythagoras referiert und dies unter anderem auch mit der Schöpfungsgeschichte in Zusammenhang gebracht. Eine Teilnehmerin fragte nach weiteren Einzelheiten, die ich aber nicht parat hatte. Das nahm ich zum Anstoß, mich tiefer einzuarbeiten.
DAV: Was waren deine Erkenntnisse daraus?
Gerhard Höberth: Ich erkannte eine archetypische Grundstruktur, die uns immer wieder begegnet und sich in ganz bedeutenden Weisheitslehren wiederfindet. Sie kommt in Pythagoras Zahlenmystik ebenso zum Vorschein wie im biblischen Schöpfungsbericht und in der Kabbala bei den Hebräern. Da darf es auch nicht mehr verwundern, dass der Tierkreis auch diesem prinzipiellen Aufbau folgt. Er ist nach dieser archetypischen Grundstruktur aufgebaut und deshalb gibt es auch diese Parallelen zwischen den genannten Lehren. Sie wurzeln schließlich alle im selben Weltprinzip und erheben den Anspruch, sich dieser Grundlage dicht anzunähern.
DAV: Gibt es konkrete Hinweise auf Zusammenhänge zwischen den Traditionen, könnten die Jüngeren von den Älteren inspiriert worden sein?
Gerhard Höberth: Nein, das glaube ich nicht. In den drei genannten Traditionen hat sich das unabhängig voneinander entwickelt. Es verhält sich wie in der Evolution. Wenn ein Tier fliegen will, braucht es einen Flügel. Der aber bildet immer die Prinzipien der Aerodynamik ab, da er sonst nicht funktioniert. Also werden sich Flügel immer ähnlich sein, auch wenn sie völlig unabhängig voneinander evolvieren. Ebenso ist das mit Lehren, die sich dem Grund des Seins nähern. Wenn sie der Wahrheit entsprechen, müssen sie sich ähneln, weil sie die selben Grundmuster aufdecken.
DAV: Der Tierkreis hat bekanntlich zwölf Zeichen, die Schöpfung vollzog sich der Bibel nach in sechs Tagen, wenn man den Ruhetag nicht berücksichtigt. Das entspricht sich nicht ganz.
Gerhard Höberth: Die sechs Schöpfungstage symbolisieren eine Tiefenstruktur bei der die Sechs die oberste Ebene darstellt und immer zwei Zeichen zusammenfasst, die jeweils einen aktiv-ausströmenden und einen passiv-aufnehmenden Part bilden. Wie ich dazu komme, wird bei meiner Erklärung der Schöpfungstage der Genesis am DAV-Kongress hoffentlich deutlich werden. Im Grunde geht es aber nicht nur um den Tierkreis. Auch die Bedeutung der Häuser und der Aspekte lässt sich daraus ableiten.
DAV: Bei alledem stellt sich natürlich die wichtige Frage, welcher praktische Nutzen lässt sich daraus ziehen?.
Gerhard Höberth: Ein sehr großer. Wenn diese Zusammenhänge erkannt sind, fällt es dem Astrologen viel leichter, sich selbst als Einheit mit der Welt zu erleben und aus dieser Erkenntnis heraus sein Ego zurückzunehmen. Das ist von fundamentaler Bedeutung für eine Beratung: Der Astrologe kann dann dem Klienten viel überzeugender vermitteln, das dieser ebenso in einer Einheit mit allem lebt, ohne dem Klienten selbst oder jemandem in dessen Umfeld Schuld an den Verhältnissen zuweisen zu müssen. Dann muss der Klient sich nicht als Opfer sehen oder in den Widerstand gehen gegen das, was ihm zustößt – was ja häufig geschieht – sondern er kann akzeptieren und annehmen was ist. Dadurch begibt er sich in eine andere, viel konstruktivere Energie. Egal, um welches Thema es bei einer Beratung geht, ist dieser Schritt immer fundamental wichtig. Der Astrologe darf sich nicht als Missionar sehen, sondern als Pilger an der Seite eines anderen Pilgers, dem er beratend zur Seite steht.
DAV: Wo ortest du sich selbst astrologisch ein?
Gerhard Höberth: Ich bezeichne mich als philosophischen Astrologen, der versucht, die verschiedenen Richtungen zu integrieren. Da gibt es die klassische Astrologie, die sagt, dies passiert und jenes passiert. Das ist fatalistisch. Die psychologische Astrologie lehrt dagegen häufig, „du hast alles in der Hand“. Das vermittelt ein illusorisches Gefühl der Allmacht. Schließlich noch die Transpersonale, die von beidem etwas hat. Jede dieser Astrologieformen entspricht der Wahrheit, aber es sind eben nur Teilwahrheiten. Ähnliches gilt auch für philosophische Anschauungen wie Materialismus, Idealismus, Dualismus und Panpsychismus. Auch das sind Wahrheiten, aber nur Teilwahrheiten. Der integrale Pluralismus, den ich bevorzuge, schließt all diese Perspektiven mit ein.
Ich möchte mit meiner Arbeit den Menschen eine neue Sicht der Wirklichkeit vermitteln. Wenn sie die Welt anders betrachten, nicht dogmatisch einer Richtung folgend und auch nicht als Opfer, fühlen sie sich auch anders darin. Die meisten haben das Bedürfnis nach einer anderen Sicht.
DAV: Deine Sicht ist sehr idealistisch, und dein Anspruch geht weit über eine Horoskopdeutung hinaus. Kannst du beschreiben, wie du auf diesen Weg gekommen bist?
Gerhard Höberth: Der war nicht vorgezeichnet. Als Jugendlicher und junger Erwachsener war ich sehr naturwissenschaftlich orientiert und hing dem Materialismus an. In der Zeit beschäftigten sich meine zwei Schwestern kurz einmal mit der Astrologie. Das reizte mich, und ich wollte beweisen, was für ein Unsinn das sei. Dazu wollte ich aber tiefer einsteigen, um ein fundiertes Urteil abgeben zu können. Ich betrieb auch eine Metagnose bei mir selbst, das heißt ich habe mir wichtige Ereignisse meiner Vergangenheit angeschaut und sie astrologisch beleuchtet. Das hat mich sehr beeindruckt. Dabei erkannte ich, dass an dem ganzen System „etwas dran“ ist.
DAV: Wie sah dann deine astrologische Praxis aus?
Gerhard Höberth: Das philosophische Interesse blieb bestehen, und ich stellte mich einer anderen, grundlegenden Herausforderung: Die Astrologie funktioniert, und ich will wissen warum!
Aufgrund der oben genannten Verbindung von Astrologie zum jüdischen Schöpfungsmythos und der pythagoräischen Zahlenmystik habe ich erkannt, woher die Evidenz beim Tierkreis und den Aspekten kommt.
DAV: Du wirst dich aber vermutlich nicht nur mit philosophisch-astrologischen Fragen befasst haben, sondern das neu entdeckte Wissensgebiet auch praktisch angewandt haben.
Gerhard Höberth: Das ich richtig. Ich bin ja auch schon lange als Künstler tätig, neben meiner technisch-mathematischen Beschäftigung als Computertechniker, heute würde man sagen als Informatiker. Die Astrologie wurde eine große Inspiration für meine künstlerische Arbeit, und sie hat mich von der strengen Rationalität weggebracht. Unter anderm sind ja auch die „Kosmischen Momente“, also künstlerische Horoskopmandalas ein Ergebnis meiner Studien. Um die Kenntnis über Astrologie zu vertiefen, habe ich auch eine Ausbildung bei Hermann Meyer absolviert.
DAV: Wie kamst du auf ihn?
Gerhard Höberth: Das war sehr bemerkenswert. Ich hatte einen Vortrag von ihm besucht. Anschließend fragte ihn eine Zuhörerin etwas, und er antwortete mit großer Souveränität, „das weiß ich nicht“. Das hat mich ausgesprochen beeindruckt, und ich habe mir gedacht, wer so souverän auch mit dem umgeht, was er nicht weiß, den nehme ich als meinen Lehrer.
DAV: Schaut man sich deine Publikationen an, sieht man, dass du nicht nur beruflich, sondern auch spirituell sehr breit aufgestellt bist. Was waren deine wichtigsten Schritte?
Gerhard Höberth: Ja, beruflich habe ich einige Erfahrungen hinter mir, zum Beispiel die Arbeit mit behinderten Kindern, als Schafhirte oder Gärtner. Computertechniker erwähnte ich bereits. Das war die Zeit, als ich in meinen Zwanzigern war, ich wollte mich einfach ausprobieren. Mit Anfang dreißig begann dann die astrologische Ausbildung, und dazu kamen noch zahlreiche andere Disziplinen, neben der Philosophie und Psychologie auch Schamanische Reisen. Die Kunst, die Astrologie und vor allem die integrale Philosophie, in deren Publikationen ich am meisten veröffentliche, stehen aber insgesamt im Mittelpunkt.
DAV: Und wie bringst du diese verschiedenen Disziplinen zusammen?
Gerhard Höberth: Ich habe nach wie vor den Anspruch, Spiritualität, Mystik und Astrologie auf der einen Seite sowie Wissenschaft, Mathematik und auch Ästhetik zu verbinden. Dies gelingt mit den strukturierten, archetypischen Grundmustern. Ein Vorbild ist der Musiktheoretiker Hans Kayser, der akustische Gesetzmäßigkeiten als Basis eines harmonikalen Weltbildes herausgearbeitet hat. Ich bewege mich mehr auf der Ebene der darstellenden Kunst. Wenn die Mathematik über das eng Wissenschaftliche hinausgeht und gleichzeitig die Kunst mathematisch betrachtet wird, kreieren Zahlen Harmonie. Der Goldene Schnitt ist das bekannteste und älteste Phänomen. Aber gegenwärtig sind auch Fraktale ein künstlerisches Ausdrucksmittel, das hauptsächlich auf Mathematik und der systemischen Idee der Rückkopplung beruht. Dieses Grundprinzip der fraktalen Auffaltung von Bedeutung wird uns auch bei meinem Vortrag am DAV-Kongress begleiten.
DAV: Herzlichen Dank für die spannenden und für viele sicher ungewohnten Ausführungen. Ich bin sicher, wir dürfen uns auf einen außergewöhnlichen Vortrag freuen.
Gerhard Höberth: Danke für deine interessanten Fragen.
Das Interview führte Klemens Ludwig.