Interview mit Johan Hjelmborg
„In den Phänomenen, den äußeren Formen, sieht der Astrologe bereits, wo der Klient gerade steht“
Johan Hjelmborg, geboren 1948, ist als fundierter Astrologe weit über seine dänische Heimat hinaus bekannt. Dabei überschreiten seine Methoden die Grenzen der Astrologie. Seit seiner Pubertät setzt er sich intensiv mit esoterischen und psychologischen Themen auseinander. Seit 1972 betreibt er eine Praxis für Lebensberatung mit dem Schwerpunkt Astrologie und Handlesen. Gemeinsam mit seiner Partnerin Louise Kirsebom hat er zahlreiche Bücher veröffentlicht und Seminare veranstaltet. Klemens Ludwig sprach mit ihm über seine Lehrjahre in Indien, die Verbindung von westlicher und indischer Astrologie sowie die Bedeutung der Phänomene und Prinzipien.
DAV: Der Titel, den du für deinen Vortrag auf unserem Kongress „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ gewählt hast, klingt ungewöhnlich „Der Klient als ‚Wahrsagekarte’ für sich selbst“. Wenn er für sich selbst die Wahrheit bereithält, benötigt er gar keine Beratung.
Johan Hjelmborg: Das stimmt, er weiß es zumeist nur nicht. Diese sicherlich provokante These ist das Ergebnis meiner eigenen Erfahrung, meiner jahrzehntelangen Beschäftigung mit Astrologie und anderen esoterischen Bereichen. Bevor ich den Titel also näher erläutere, muss ich ein wenig von meinem Werdegang erzählen.
DAV: Sehr gerne!
Johan Hjelmborg: Seit meiner Pubertät begleitet mich ein großes Interesse an allem, was unerklärlich und mystisch ist. Mein älterer Bruder hat mich dann auf entsprechende Bücher zu dem Thema aufmerksam gemacht, die es in unserer Bibliothek gab. Ich habe sie regelrecht verschlungen. Zu der Zeit lebte ein Pakistani in unserer Nachbarschaft. Mit ihm bin ich 1969 in einem alten Mercedes nach Pakistan gefahren, weil ich dort Handleser treffen wollte. Er schenkte mir den Klassiker „Language of the Hand“, ich merkte aber, dass ich mich nicht nur an äußeren Symbolen orientieren wollte. Im Herbst des gleichen Jahres kehrte ich zurück, und mir war klar, dass ich mehr über die Astrologie erfahren musste, wenn ich in meinem Wissendrang weiterkommen wollte. Ich besuchte einen Kurs bei einer dänischen Astrologin, und es konnte mir gar nicht schnell genug gehen, so sehr verschlang ich alles, was mir begegnete. Nach zwei Abenden über Technik habe ich sie schon bedrängt, zur Deutung überzugehen.
DAV: Du hast dich dann ganz der Astrologie verschrieben?
Johan Hjelmborg: Nein, das habe ich nicht. Ich begann 1966 ein Musikstudium in Kopenhagen, aber bald wurde mit klar, dass ich kein professioneller Musiker werden wollte. 1972 begann ich dann mit einer Praxis, und es war eine Kombination aus Astrologie und Handlesen.
DAV:Das heißt, du bist dem Handlesen über Pakistan hinaus treu geblieben?
Johan Hjelmborg: Natürlich, ich habe mich nie nur auf die Astrologie konzentriert. Das Horoskop sagt doch nichts über die körperliche Konstitution aus. Handelt es sich um einen Mann oder um eine Frau? Wie ist die Person gebaut? Darüber erfahren wir nichts. Oder anders herum, das Horoskop verrät uns die prinzipiellen, aber nicht die konkreten Bedingungen, in denen eine Person lebt. Es ist Kontext-abhängig. Deshalb kombiniere ich die Astrologie mit Handlesen, was sich am konkreten Äußeren orientiert.
DAV: Fühlst du dich einer bestimmten astrologischen Richtung oder Schule zugehörig?.
Johan Hjelmborg: Nein, keiner speziellen, aber ich bin natürlich beeinflusst. 1973 erzählte mir ein Freund von einem schwedischen Astrologen, der sagenhafte Prognosen machte. Das geschah auf der Basis einer indischen Technik, die Krishnamurti padhathi genannt wird. Den Astrologen wollte ich unbedingt kennenlernen, also fuhr ich mit meinem Freund hin und verbrachte dort ein sehr intensives Wochenende mit bemerkenswerten Erlebnissen.
DAV: Kannst du ein praktisches Beispiel dafür geben?
Johan Hjelmborg: Ja, eine kleine Geschichte von der Rückfahrt. Ich hatte mit meinem Freund ausgemacht, dass wir uns am letzten Tag um 11.00 Uhr bei dem Astrologen treffen, um von dort aufzubrechen. Er erschien aber nicht und ich wartete und wartete. Schließlich fragte ich den Astrologen, ob er prognostizieren könne, wann mein Freund kommt. Er rechnete und kam dann zu dem Ergebnis, ‚zwischen 13.09 Uhr und 13.13 Uhr wird er auftauchen’. Tatsächlich erschien er um 13.10 Uhr. Ist das nicht sensationell? Also wollte ich unbedingt mehr über diese Methode erfahren.
DAV: Zu der Zeit war die indische Astrologie in Europa vermutlich noch nicht so verbreitet.
Johan Hjelmborg: Das stimmt, und deshalb gab es für mich nur ein Ziel, an die Quelle nach Indien. Über persönliche Kontakte erfuhr ich, dass es in Jaipur eine Studiengruppe gab, die sich genau mit dieser Methode beschäftigte. Also reiste ich dorthin und studierte dort, allerdings muss ich sagen, es war nicht so erfolgreich. Wichtiger war für mich, dass ich eine Palmblatt-Bibliothek in Hoshiarpur besuchte, eine ganz wichtige Quelle der individuellen Prognostik in Indien. Und ich kam in Kontakt mit der Familie des berühmten Astrologen K.S. Krishnamurti aus Madras, übrigens nicht zu verwechseln mit dem Philosophen Krishnamurti, der lange Zeit in Kalifornien gelebt hat. Sie hat mich dann an einen der besten Schüler, V.N.N. Rangachar aus Bangalore weitervermittelt. Dort durfte ich bei seinen Sitzungen dabei sein. Da sie wegen der Sprachenvielfalt auf Englisch stattfanden, konnte ich gut folgen. Er arbeitete vor allem mit Stundenhoroskopen, weil viele Inder ihr Alter oder ihre Geburtszeit nicht kennen.
DAV: Das ist ja auch ein wichtiges Element der klassischen Astrologie hierzulande. Man könnte skeptisch sagen, dafür die weite Reise nach Indien…
Johan Hjelmborg: Oh, die Reise hat sich sehr gelohnt. Ein Stundenhoroskop ist mehr als Symbolik auf dem Papier. Ich wurde von Mr. Rangachar in die Welt der Omen eingeweiht. Und ich habe ganz persönlich die Erfahrung gemacht, wenn ernsthaft gefragt wird, dann kommt auch eine Antwort. Dazu noch eine kleine Geschichte. Es war ja eine Zeit, als es all die technischen Kommunikationsmöglichkeiten von heute noch nicht gab. Ich wartete deshalb seit zwei Monaten auf einen Brief von meiner Familie aus meiner Heimat, wo ich ein kleines Kind hatte. Ich fragte Mr Rangachar, ob er sehen könne, wann ein Brief käme. Er antwortete nur, ich wisse es selbst, müsse mein Wissen nur anwenden. Das tat ich. Das dritte Haus steht für Briefe und Kommunikation, ich bin der Aszendentenherrscher, das elfte Haus wird meine Wünsche erfüllen. Die Signifikatoren aller drei müssen zusammenwirken. Als ich noch überlegte, kam der Bruder des Astrologen ins Zimmer, was sonst nie geschah. Er hatte ganz wichtige Papiere von der Mutter dabei, die bis Montag erledigt werden mussten. Bruder und Papiere wird auch durch das dritte Haus symbolisiert, und plötzlich wusste ich, am Montag kommt ein Brief. Genauso war es – und es waren sogar zwei Briefe!
DAV: Hast du dich aufgrund der Erfahrungen in Indien nach deiner Rückkehr ganz auf die indische Astrologie konzentriert?
Johan Hjelmborg: So einfach war das leider nicht, im Gegenteil, ich fand mich in einem Dilemma wieder, hin- und hergerissen zwischen der indischen Astrologie mit ihren klaren Vorhersagen und der westlichen Astrologie mit ihrem psychologischen Ansatz. Schließlich wandte ich mich wieder mehr der westlichen Astrologie zu. Ich lernte Louise Kirsebom 1977auf einem Huber-Kongress in Österreich kennen, ein halbes Jahr später sind wir zusammengezogen und haben seitdem unsere Methoden entwickelt. Aber ich habe immer noch ‚Krishnamurti padhathi‘ im Hinterkopf, eher als Denkweise, denn als Methode. Noch prägend aber war die Begegnung mit der Farbpsychologie von Max Lüscher. Ich begegnete ihm auch persönlich, und wir haben gemeinsam ein Seminar angeboten, er mit Farbpsychologie, ich mit Handlesen. Die Zusammenarbeit mit Lüscher hat mich ungeheuer sensibilisiert für die Kleidung, die jemand trägt, die Farben, die jemand bevorzugt. Wenn man das deuten kann, wird der Mensch zu einer lebenden Tarot-Karte.
DAV: Womit wir fast wieder beim Ausgangspunkt angekommen sind, dem Titel deines Vortrags, der Klient als ‚Wahrsagekarte’ für sich selbst.
Johan Hjelmborg: Dahin wollte ich zurück, denn in der Tat ist die Person selbst so etwas wie ein Stundenhoroskop. Ich betrachte dafür drei grundlegende Symbol-Kreise, den Raum, die Farbe und die Form. Der Raum, also wo am Körper, zeigt an, wo sich die Themen abspielen, um die es geht. Die Farben, die jemand wählt, zeigen seine Bedürfnisse, Hoffnungen und Ängste. Die Form, das heißt Stoff, Muster, Schmuckstücke, schließlich seine konkreteren Umstände. Ein kleines Beispiel, jemand kleidet sich ganz in schwarz. Ob es sich dabei aber um Leder oder um durchsichtigen Tüll handelt, macht einen fundamentalen Unterschied, auch wenn beides schwarz ist.
DAV: Siehst du dabei noch eine konkrete Verbindung zur Astrologie, oder hast du sie damit hinter dir gelassen?
Johan Hjelmborg: Keinesfalls habe ich sie hinter mir gelassen, ich stelle sie nur in einen größeren Rahmen. Wir müssen erkennen, was miteinander korrespondiert und wenn wir das verbinden können, kommen wir zu den besten Deutungen. Wir haben die Welt der Phänomene und wir haben die Welt der Prinzipien. Hinter jedem Phänomen steckt ein Prinzip, und wir können vom Phänomen auf das Prinzip schließen. Umgekehrt können wir aber nicht erkennen, in welchen Phänomenen sich ein Prinzip manifestiert. In den Phänomenen, den äußeren Formen, sieht der Astrologe bereits, wo der Klient gerade steht, wenn er zu einem kommt. Und wenn der Klient sensibilisiert wird, dann kann er das selbst erkennen, kann seine eigene „Wahrsagekarte“ werden. Das werde ich anhand praktischer Beispiele aufzeigen.
DAV: Darauf sind wir sehr gespannt, denn das wird den Zuhörern gewiss neue Horizonte eröffnen. Herzlichen Dank für deine Ausführungen.
Das Interview führte Klemens Ludwig.