Interview des Deutschen Astrologen-Verbandes
mit Martin Sebastian Moritz
„Das 8. Haus kann sehr eng sein, aber wenn es sich öffnet, dann erleben wir, wie sich Werte entwickeln und Schuld überwunden wird“
Martin Sebastian Moritz geb. am 20. 4. 1968 um 13.45 Uhr in Hamburg, ist Dipl.-Psychologe und arbeitet als Trendforscher und Therapeut. Vor seinem Studium widmete er sich vier Jahre dem Schauspiel und Tanz. Als Therapie-Ausbilder für Psychodrama kam er mit biographischen Krisen in Berührung, die ihn begreifen ließen, welches Leid und gleichzeitig welche Entwicklungschancen in ihnen stecken. Die Astrologie entdeckte Martin Sebastian Moritz bereits mit 18 Jahren, und sie ist seitdem fester Bestandteil seines Lebens. Diverse Ausbildungen (CPA – Center for Psychological Astrology, Münchner Rhythmenlehre u.v.a.) bilden das Fundament seiner Praxis. Er ist als astrologischer Berater tätig und gibt regelmäßig Webinare, Vorträge, Workshops und Seminare. Sein Buch „Das rätselhafte 8. Haus – der Schatten im Horoskop“ ist Ausdruck seiner Beschäftigung mit den Schattenseiten des Lebens.
Klemens Ludwig sprach mit ihm über Herausforderungen und Chancen im persönlichen wie mundanen Bereich beim Abstieg in das 8. Haus.
DAV: Du hast dich intensiv mit den Themen des 8. Hauses befasst. An das Thema unseres Kongresses „Money makes the World go round“ denkt man dabei nicht in erster Linie. Welchen Zusammenhang siehst du aufgrund deiner Forschungen?
Martin Sebastian Moritz: Das 8. Haus ist durchaus auch ein Geldhaus, allerdings geht es dabei nicht nur um unser Geld, sondern auch um unsere Schulden und noch tiefer um unsere Schuld. Bei den antiken Griechen hieß es „epikataphora“, der Abstieg in die Unterwelt. Dort gab es immer auch Schätze. Wichtig ist mir der Aspekt des Energieaustausches, denn Geld ist auch Energie.
DAV: Wie erlebst du in deiner Praxis Menschen, die mit 8. Haus-Themen zu dir kommen?
Martin Sebastian Moritz: Da sind zunächst in der Tat die Themenbereiche, an die man denken mag, Scheidung, Auseinandersetzungen um den Unterhalt, ein Leben auf Pump. Ich erlebe auch ein großes Misstrauen gegenüber dem Staat und zum Beispiel seiner Forderung nach Steuern. „Das Finanzamt ist unser Feind“, hat mal ein Steuerberater zu mir gesagt. Es wäre jedoch zu kurz, nur diese Seite zu sehen. Es gibt auch die ganz andere, Menschen, die ihren Reichtum nutzen, um ihn zu teilen, um andere zu unterstützen.
DAV: Kannst du Beispiele bringen?
Martin Sebastian Moritz: Ein sehr typisches Beispiel ist der impressionistische Maler Gustave Caillebotte. Als Maler ist er einer der erst 100 Jahre nach seinem Tod entdeckten Vertreter des Impressionismus. Wir wissen, dass viele von denen, die heute hoch angesehen sind, zu Lebzeiten wenig erfolgreich waren. Er hat viele Bilder seiner armen Künstlerkollegen aufgekauft, denn er konnte es sich erlauben. Er war Millionär und malte nur aus Freude und Passion, nicht um damit Geld zu verdienen. Er vermachte dem französischen Staat seine gewaltige Sammlung. Sie wurde zur Grundlage des Músee d’Orsay, wo die bedeutendste Sammlung der Impressionisten zu bewundern ist. Das besondere an Caillebotte: Er hatte ein voll besetztes 8. Haus.
DAV: Künstler gelten häufig als extrem in jede Richtung, da ist die Betonung des 8. Hauses keine Überraschung.
Martin Sebastian Moritz: Ja, und das gibt es in allen Varianten. Ich möchte noch Doris Day erwähnen. Am 20. April 1968, an meinem Geburtstag, starb ihr Mann und Manager Martin Mechler – eine Katastrophe, die weit über den Verlust eines nahen und geliebten Menschen hinaus ging. Sie musste nämlich erkennen, dass ihr Mann ihr millionenschweres Vermögen durch schlechte Geschäfte komplett durchgebracht hatte. Zudem hatte er einen bindenden Vertrag für eine Fernsehserie unterschrieben, an der sie keinerlei Interesse hatte. Diese Krise hat ihr in jeder Weise den Boden unter den Füßen entzogen. Sie hat mit allem gebrochen, ist durch ganz viel Leid, Schmerz und Verlust gegangen, aber sie ist nicht untergegangen, sondern aus allem gestärkt und reif hervorgetreten; die positive, konstruktive Katharsis, die möglich ist, wenn man sich ganz auf die Energie des 8. Hauses einlässt. Bei Doris Day steht dort die Venus und das ganze Drama nahm seinen Lauf, als Saturn durch das 8. Haus lief.
DAV: Sind die Erfahrungen des 8. Hauses nach deiner Erfahrung auf Individuen beschränkt, oder erkennst du die Muster auch im Globalen, in der Mundan-Astrologie?
Martin Sebastian Moritz: Diese Mechanismen sind nicht nur individuell von Bedeutung. Um sie mundan zu sehen, muss man sich nur die Horoskope anschauen, die mit Deutschland zu tun haben, angefangen von der Reichsgründung durch Bismarck in Versailles am 18. Januar 1871 über den Beginn der Weimarer Republik, der Machtergreifung Hitlers und den Gründungshoroskopen der BRD und DDR. Alle zeigen eine starke Betonung im 8. Haus und zumeist befindet sich Saturn dort. Von Beginn an geht es um Schuld, natürlich nicht um pekuniäre, sondern ethisch-moralische. Bleiben wir bei 1871. Wie kommt eine Siegermacht dazu, sein neues Reich im Zentrum der Macht des geschlagenen Gegners auszurufen und dort den Kaiser zu proklamieren? Wie arrogant ist denn das? Und diese Schuld zog sich durch. Erst Mitte der 1960er Jahre, unter der Konjunktion von Uranus und Pluto, hat eine Generation das alles infrage gestellt, hat gefragt „was war denn da los?“
DAV: Können wir heute so etwas wie die „Gnade der späten Geburt“ reklamieren, dieser fragwürdige Anspruch von Helmut Kohl?
Martin Sebastian Moritz: Das gibt es im 8. Haus nicht. Unsere eigenen Horoskope stehen immer auch unter der Ägide eines Staates. Es geht natürlich nicht um individuelle Schuld, aber in den untersten kollektiven Schichten finden sich Schuld und Scham, an die man nicht heran will. Das zeigt sich gut im Horoskop der BRD, das viele Spannungsaspekte enthält.
DAV: Aber dabei sollten wir nicht stehen bleiben. Wer kann schon immer mit Schuld leben?
Martin Sebastian Moritz: Genau, das verspricht ja die Arbeit mit den Themen des 8. Hauses. Pathologisch geht es dabei um Schuld; konstruktiv um Verantwortung, das sind die beiden Pole, und ich versuche die Menschen zu bewegen, Verantwortung zu übernehmen. Das 8. Haus kann sehr eng sein, aber wenn es sich öffnet, dann erleben wir, wie sich Werte entwickeln und Schuld überwunden wird, wir erleben im besten Sinn Großzügigkeit und Fülle, also den Gegenpol der Enge, wofür der erwähnte Gustave Caillebotte das beste Beispiel ist. Aber das geht nicht durch Verdrängen, sondern nur, indem ich mich den Herausforderungen und der Verantwortung stelle.
DAV: Dem 8. Haus sind Pluto und Skorpion zugeordnet. Wie weit beziehst du sie in deine Arbeit mit ein?
Martin Sebastian Moritz: Natürlich sind auch sie ganz wichtig bei der Arbeit. Nur ein Beispiel, das alles sagt über die Zusammenhänge: Das Entdeckungs-Horoskop von Pluto. Es hat einen Skorpion Mond und Sonne-Merkur im 8. Haus.
DAV: Wie kommst du zu dieser intensiven Beschäftigung mit den Themen des 8. Hauses? Das ist einem zumeist nicht in die Wiege gelegt.
Martin Sebastian Moritz: Mir in gewisser Weise schon. Meine Eltern waren noch Teenager, ich bin weitgehend bei meiner Uroma aufgewachsen, die damals erst 65 war. Sie hatte ihren Mann, also den Vater meiner Oma, im Krieg verloren. Beide Frauen haben diesen Tod nie wirklich überwunden. So habe ich als Kind viel Trauer und Schmerz gespürt, ohne das näher verstehen zu können. Bis heute finde ich es sehr wichtig, dem Schmerz Raum zu geben. Daran habe ich mich auch in meiner Arbeit mit Selbsthilfegruppen und Psychodrama orientiert: nicht die Parolen von Stärke und ‚Du schaffst das schon!‘, sondern durch den Schmerz gehen. Das schafft heilenden Abstand und neue Perspektiven.
DAV: Herzlichen Dank für die Ausführungen. Sie machen große Lust auf den Weg mit dir in die Tiefen des 8. Hauses.
Mehr Informationen über die Arbeit von Martin Sebastian Moritz:
www.astro-via.com
Das Interview führte Klemens Ludwig.