Serie Astropoesie: I. Sonne und Mond
Gedichte, Bilder und Gedanken
Von Martin Trosbach und Rita Gäßler
Wir erweitern das breite Themenspektrum des Jourmals um eine weitere Kategorie: Astrologie und Kunst. Das umfasst Poesie, Malerei, Architektur, Musik und andere Ausdrucksformen.
Den Beginn macht Martin Trosbach mit einer Betrachtung von Astrologie und Poesie. Neben kurzen erläuternden Texten werden Werke berühmter Dichter sowie vom Autor selbst vorgestellt; bereichert durch Illustrationen von Rita Gässler.
Astrologie und Lyrik: Gibt es da Bezüge, passt das zusammen? Ein Blick in den nächtlichen Sternenhimmel genügt, um ehrfürchtiges Staunen, Phantasie und tiefste Begeisterung zu erwecken; genügt, uns klarzumachen, dass eine nüchtern-geometrische Horoskop-Graphik Abbild eines mysteriösen kosmischen Geschehens sein muss, welches mit kreativer Einfühlung genauso umkreist werden kann wie mit astronomischer Forschung oder eben astrologischer Theorie und Deutung. Langjährige astrologische Erfahrung führt immer mehr von Deutungsbausteinen weg und zu intuitiver Betrachtung eines Horoskops; diese Intuition kann geschult werden, z.B. durch Philosophie, Selbsterfahrung, aber eben auch durch das tiefe Sich-Einlassen auf Poesie, deren „Zauberwort“ (wie Eichendorff es nennt) ebenso als kosmisches Rätsel betrachtet werden kann, wie das unergründliche Kreisen von Planeten um die Sonne.
Bild von Rita Gäßler, Regensburg
Dichtung und Sternenhimmel
„Naht aber Nacht, so wandeln sie leiser, und bald
mondets empor, das über Alles
wachende Grab-Mal. Brüderlich jenem am Nil,
der erhabene Sphinx -: der verschwiegenen Kammer Antlitz.
Und sie staunen dem krönlichen Haupt, das für immer,
schweigend, der Menschen Gesicht
auf die Waage der Sterne gelegt.“
So dichtete Rilke in seiner 10.Duineser Elegie. Der poetische Blick in die Nacht weckt mythische Bilder, archetypische Gestalten, die uns auf den ersten Blick befremden mögen. Nicht anders der Blick ins Horoskop: auch hier finden wir archetypische Kräfte, „Götterfiguren“, die miteinander agieren wollen.
Gedichte und Planeten
Und so sollen in dieser Serie Gedichte vorgestellt werden, die zu bestimmten Planetenprinzipien passen, diese auf bildhafte, manchmal auch rätselhafte Weise umschreiben und einzukreisen versuchen. Auf einige astrologische Bezüge möchte ich in einem kurzen Kommentar gerne hinweisen, andere werden im Atmosphärischen des Gedichts ganz von selbst deutlich.
Die Dichter
Als Astrologe, der schon seit seiner Jugend immer wieder Lyrik verfasst hat und somit die Themen der Archetypen immer wieder „umschrieben“ hat, möchte ich hier vorwiegend meine eigenen Gedichte vorstellen. In jedem Teil der Serie soll aber auch ein Gedicht eines bekannten Autors dabei sein!
Sonne und Mond
Der erste Teil der Serie soll den astrologischen „Zentralgestirnen“ Sonne und Mond gewidmet sein. Allein der Mond, ein poetisches Lieblingsmotiv, könnte ein ganzes astro-poetisches Buch füllen; lassen wir es für diesmal mit zwei Mond-Gedichten bewenden.
Dämmrung senkte sich von oben
Dämmrung senkte sich von oben,
Schon ist alle Nähe fern;
Doch zuerst emporgehoben
Holden Lichts der Abendstern!
Alles schwankt ins Ungewisse,
Nebel schleichen in die Höh;
Schwarzvertiefte Finsternisse
Widerspiegelnd ruht der See.
Nun im östlichen Bereiche
Ahn ich Mondenglanz und -glut,
Schlanker Weiden Haargezweige
Scherzen auf der nächsten Flut.
Durch bewegter Schatten Spiele
Zittert Lunas Zauberschein,
Und durchs Auge schleicht die Kühle
Sänftigend ins Herz hinein.
J.W. von Goethe
Goethe macht uns in diesem Gedicht nicht nur mit dem Abendstern (Venus oder Merkur) vertraut, sondern zunehmend mit der „ungewissen“ und „schwankenden“ mystischen Welt des Mondes. Ahnungen und Zauberhaftes weisen auf diese zwielichtige, nebelhafte Sphäre hin, welche der „launische“ Mond ja auch astrologisch verkörpert. Die weiblich-bergende Seite des Mondes wird aber auch deutlich, wenn am Ende die Nachtstimmung das Herz besänftigen darf!
Mondschatten
Worte vergießen Leben auf dies weiße Blatt
sehnsuchtsvoll atmende Sphäre
aufgeladen aufgesogen
der Dunst des wilden Durstes
für einen lieben langen
Augenblick warst du
bei mir…
Mond lacht leise traurig weise
liebes Bild verdunkelt
von düst´ren Universums Schatten
nimmermüder Schlafgesang
den wir Windgeborenen
manchesmal im Herzen
hatten…
Hoher Himmel lebensschwer
tränenleer, sternenklar
keiner weiß, was jemals war
ob Lüge oder wahr ist
was träumender Sinn
ermisst…
Schönheit
Spur von Sehnsucht
süßes Leiden
fiel nicht eben Mondlicht
dir durch´s Haar? –
Liebste, laß uns leben –
was ist, war…
Was ist wahr?
Martin Trosbach
In diesem Gedicht werden wir in die zutiefst emotionale Sphäre des Mondes versetzt. Sehnsüchte… Liebe … aber auch Dunkelheiten, Verdunkelungen der Seele sind Erfahrungen, die uns der Mond bringt, um uns immer mehr in die Tiefe kosmischer und zugleich ganz menschlicher Erfahrungen eintauchen zu lassen. Die zwielichtig unklare Ebene, die uns schon im Gedicht Goethes entgegentrat, findet sich auch hier wieder, am Ende ganz deutlich:
„Was ist, war…/ Was ist wahr?“
„Phönix“ von Rita Gäßler, Regensburg
Und zuletzt ein Sonne/Jupiter-Gedicht:
Der Sinn
Ich lieg in einem Sarg aus schwarzem Glas,
Sprühregen macht die Scheiben naß.
der Blick verirrt sich tief und tiefer,
des Alltags morsche Form hängt immer schiefer
und stürzt und bröckelt – was ist Wesen?
Wer bin ich, war ich einst gewesen?
Die Frage hallt in Sarges Enge
verursacht Ohnmacht, Denkgedränge.
Da: in den Tunnel bricht ein Licht
noch schmal, ein Pfeil, so klar und dicht.
Bohrt gnädig mir die Kammer auf
drin Herzraum, Schicksalslauf…
Ich laß es bohren, treiben, gehn,
gib mich dem harten Lichte hin.
Noch dunkel. Wann werd ich IHN sehn:
den Sonnenträger, König SINN!?
Martin Trosbach
Jupiter ist die Verkündigung des Sinnhaften, oftmals in die Form des Philosophischen oder Religiösen gegossen. Die Sonne aber verkörpert unseren Heldenweg im Leben, das Licht, welches in der Dunkelheit erscheint und uns immer wieder weiterführt, von neuem „erleuchtet“. Davon ist in diesem Gedicht, ausgehend von einengenden Erfahrungen des Alltags, die Rede.