Serie Astropoesie: II. Venus und Mars
Gedichte, Bilder und Gedanken
Von Martin Trosbach und Rita Gäßler
Venus und Mars, die beiden Planeten, die immer wieder um Liebe und Erotik kreisen, uns magnetisch in diese Felder ziehen, sollen heute lyrisch umkreist werden. Während die venusische Energie das Erotische im Künstlerischen sublimiert und gerne romantisch umkleidet, eignet dem Marsischen Direktheit und die Verbindung von Eros mit Aggression und Schmerz. Da beide Planeten zurzeit im Zeichen Löwe stehen, in welchem das erotische Spiel besonders gefragt ist, passt diese Thematik wunderbar zur Zeitqualität.
„Akt“ von Rita Gäßler, Regensburg
Bettina von Arnim, geb. Brentano, neigte in ihren Gedichten sicherlich der Sphäre der Venus zu. So dichtete sie über den Eros:
Eros
Im Bett der Rose lag er eingeschlossen,
Im Wechselschimmer ihrer zarten Seiten,
Die taugebrochnen Strahlen schmeichelnd gleiten
Hinein zu ihm, von Geisterhauch umflossen.
Mich dünkt, in Schlummer waren hingegossen
Die reinen Glieder, durch des Dufts Verbreiten
Und durch der Biene Summen, die zuzeiten
Vorüberstreift an zitternden Geschossen.
Doch da beginnt mit einemmal zu schwellen
Der Blume Kelch! Ins Freie nun gehoben,
Erkenn ich ihn im Tagesglanz, dem hellen.
Es ist mein Auge vor ihm zugesunken,
Der mich so seltsam mit dem Blick umwoben,
In seinem Lichte lieg ich traume-trunken.
Bettina von Arnim, 1785-1859
Wir spüren die indirekte, etwas verschwommene Energie, die hier den Eros mit neptunischem Schimmer übergießt; die Venus als Rose, Duft und Liebestraum ist offensichtlich, der Mars bleibt im Hintergrund, „im Bett der Rose eingeschlossen“, wird aber zunehmend ins „Freie“ und ins „Licht des Tages“ gehoben.
Das folgende, von mir verfasste Gedicht, betont eher die künstlerische, weniger die erotische Aura der Venus:
Ton der Liebe
Schwinge Ton tanze Ton
meiner Seele schönster Sohn
schönste Tochter schönstes Kind
tanz bis alle glücklich sind
sing dich in der Tiefen Glut
wo alles Verborgne ruht
sei der Seele wilder Wind
milder Wind wilder Wind!
Gleite friedlich klage still
aller Herzen Wunden füll
rufe leis verlorne Zeit
fass uns trag uns nah und weit
in das Land der Harmonien
wohin alle Schmerzen ziehen
alle Hoffnung sich erneut
tief erfreut sich erneut!
Bringe Schönheit unsren alten
müden Seelen die erkalten
in des Weltgerennes Leere
in der öden Dauerschwere
plangebornen Tun und Sollens –
klinge jenseits allen Wollens
aus des Leibes tiefstem Meere:
Liebe endlich uns gebäre!
Venus, die „Bringerin der Schönheit“, erscheint hier als tröstende Kraft, welche die Seele, die von der Banalität und Kälte so mancher Erscheinung der Moderne erschöpft ist, wieder aufrichtet und immer wieder von Neuem zur tiefinnerlichen Erfahrung der Liebe führt.
„Ewige Frage“ von Rita Gäßler, Regensburg
Verbindet sich die Venus mit plutonischer Energie im Versuch, die Verletzungen des Mars zu transformieren, dann mag es so klingen:
Heiterkeit
Halt mich im Arm
hör nicht der toten Vögel Schrei
halt mich nur warm
sei Kot und Dreck der Welt uns einerlei
Halt mich so still
laß nicht die Messer tief ins Herz
hüll mich nur ein
in deiner Nacktheit zarten Nerz
Halt mich aus Lieb
erstick in mir der Lügen Raum
hell auf des Raumes Düsternis
die meine Augen nicht durchdringen –
Hab ich fühl ich Zeit mehr – Zeit?
Die Tränen quellen strömen stürzen
und undenklich weit
in dir unter dir
klingt lächelnd
Gottes
tröstlich leise
Heiterkeit
M.Trosbach
Die Welt des Mars ist eine archaische, in ihr zählt das Überleben. Die Erotik mischt sich mit dem Kampf, die Konkurrenz und der unbedingte Wille zum Sieg gehören dazu. Insofern ist das Wilde die Domäne des Mars, auch in der modernen technisierten Welt!
Wolfsmilch
Sieh die schwere, die schwangere Zeit
in deinem Rachen wird sie weit
springt mich mit Ergrimmen an
Isegrimm, wilder Mann!
Deine Zitzen tauen Tränen,
doch dein Sprung ist ohne Wähnen
ohne Wenn und ohne Wann
fängt im End von Neuem an
Heulen will ich heut mit deinen
Fährten, Gefährten, die mir scheinen
wie Skelette jener großen
Ur-Schamanen, handylosen!
M.Trosbach
Verbindet sich schließlich die drängende, stürmische Energie des Mars, die bereits durch viele Erfahrungen von Liebesbeziehung geläutert wurde, mit der tiefsten und reinsten Sehnsucht der Venus, der Sehnsucht nach dem Berührtwerden – körperlich, seelisch und geistig – dann wachsen die Energien von Venus und Mars vereint ins Himmlische, erweisen die spirituell läuternde Kraft von Liebe und Kampf um das Wahre, Echte, Innige:
„Ohne Titel“ von Rita Gäßler
Sehnsucht nach Berührung
Berührt werden genommen gehalten
vereint in Neuem und in Altem
gespürt werden in innersten Fasern geweckt
altes schmerzliches Sehnen entdeckt
So strömt es mit einemmal drängend herein
geliebt geborgen verstanden sein!
Und Tränen nehmen stürmenden Lauf
sie quellen und strömen, hör´n nimmermehr auf
Verliebt sein, verloren in einendem Wesen
an liebstem Herzen erwachend genesen
die Körper träumend Verschmelzung spüren
will flammendes Sehnen in Glück hinführen
Berührt sein in innersten Kindes Gedanken
befreit sein von aller Selbstsucht Schranken
und fallen in göttlich reinen Schoß
die irdischen Wirrungen endlich los
M.Trosbach