Es wurde bereits überlegt, ob Pluto in Wassermann die Verwendung der Astrologie auf den Kopf stellen wird: Nicht was sie für mich leistet, sondern was ich mit ihr für andere leisten kann.
Eine weitere Transformation der Astrologie durch Wassermannpluto liegt für mich darin, dass ihr Charakter als Erfahrungs-, Symbolwissenschaft usw. sich wandelt zu einer echten Geisteswissenschaft. Ein paar grundsätzliche Gedanken zum geistigen Hintergrund der Astrologie und die Verwandtschaft zur modernen Naturwissenschaft, aus der Max Planck eigentlich eine Geisteswissenschaft gemacht hat.
Materie und der Geist hinter ihr
Es gibt keine Planeten? So hätte man fragen können, wenn man Max Plancks berühmte Rede 1944 in Florenz gehört hätte. Mit seinem Satz „Es gibt keine Materie an sich“ zertrümmerte er im Jahr 1900 das scheinbar fertige und fest gefügte Weltbild der Physik. Materie bestehe und entstehe nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie zu dem“ winzigen Sonnensystem des Atoms“ zusammenhält. Er verglich sie mit dem ganzen Kosmos. Ausdrücklich erweiterte er seine Aussage. Da es“ im ganzen Weltall“ weder eine intelligente noch ewige „abstrakte Kraft“ gäbe, müssten wir hinter dieser Kraft bewussten, intelligenten Geist annehmen. Für diesen wissenschaftlichen Umsturz wurde ihm 1919 der Physik-Nobelpreis verliehen.
Astrologen wundern sich, dass der am 23.4.1858 geborene Wissenschaftler in seinem Horoskop sieben Planeten in Erdzeichen hat und sich hinstellt und sagt: Es gibt keine Materie an sich. Faszinierend ist, dass Sonne, Merkur, Jupiter und Uranus am 14.12.1900, als er sein neues Modell von Materie öffentlich vorgestellt hatte, sich gemeinsam nicht mehr in Stier, sondern in Schütze quasi auf einem geistigen Höhenflug begeben hatten. Überträgt man Plancks Weltbild auf die Astrologie, käme man zu folgender Betrachtungsweise:
Was wir als Keplersche Gesetze über Umlaufzeiten der Planeten und ihre Abstände usw. kennen, ist nur Beschreibung, nicht die Ursache, dass
- sich Planeten überhaupt bewegen,
- dort sind, wo sie sind,
- die konkreten Umlaufzeiten haben und
- die konkreten Abstände zur Sonne haben, die sie haben.
Für Planck gäbe es wie für „das winzige Sonnensystem des Atoms“ einen Grund: Es wurde durch „intelligenten Geist“ so geordnet und in Bewegung gesetzt.
Wenn Astrologen also die Bedeutung eines Horoskops erklären, beziehen sie sich auf diese geistigen Intelligenzen und nicht einfach auf deren materielles Planetenabbild. Dass sie nicht Planetenkörper als Ursache, sondern als Hinweisgeber geistiger Energien ansehen, würde sich in dieses Weltbild von Max Planck bestens einfügen.
Raum und Zeit sind erst zusammen mit dem Urknall wie aus dem Nichts entstanden, nach Planck durch Geist. Der Geist ist unabhängig von Raum und Zeit, da er diese selbst erst geschaffen hat. Wenn Menschen sich geistig betätigen, sind sie ebenso unabhängig von Raum und Zeit. Astrologen versuchen die kosmischen Zyklen im Universum zu verstehen. Erkenntnis ist geistige Tätigkeit und unabhängig von Raum und Zeit. Aber vielleicht hat das, was der Astrologe betrachtet und erkennt, auch eine Art schöpferische Wirkung auf das, was er sieht. Damit wären wir bei einem weiteren Phänomen der Quantenphysik. Sie sagt, dass der Beobachter eines Objekts mit der Beobachtung das Objekt selbst beeinflusst. Mehr noch: Es gibt eine „Verschränkung“ von Atomteilchen. Wenn ich eines beobachte, wirkt sich das auf dieses und gleichzeitig auf ein anderes mit ihm Verschränktes aus.
In einem Video hat der Physiker Florian Aigner es mit zwei Briefumschlägen dargestellt, von denen einer eine rote, der andere eine blaue Schleife enthält. Aber erst wenn der Beobachter einen der Umschläge öffne, werde klar, welche Farbe er enthält. Gleichzeitig würde damit auch festgestellt, dass die andere Farbe im anderen Umschlag sei. Vorher sind die Schleifen beide gleichzeitig rot und blau. Die Wirklichkeit sei vorher noch unbestimmt, ob rot oder blau und in welchem der beiden Umschläge was ist. Beide Umschläge sind aber so miteinander verbunden, „verschränkt“, dass die Öffnung des einen Umschlags in beiden Umschlägen die Farbe zuordnet. Selbst wenn ein Umschlag auf der Erde in meiner Hand ist und der andere gerade mit einem Astronauten zum Mond fliegt. Das ist nur eine Veranschaulichung der Vorgänge im Bereich der Elementarteilchen. „Alles ist mit allem verbunden“ fassen wir als Laien oft diese Quantenphysik zusammen. Wenn offenbar der Grenzbereich von Raum und Zeit berührt wird, spielen räumliche und zeitliche Distanzen nicht mehr die entscheidende Rolle.
Wie geht das in den Kopf hinein? In unserem Beispiel ist die gesehene Farbe zunächst nur mit den äußeren Sinnen aufgenommenes Bild. Darüber hinaus ordnet der Mensch es in seine Umgebung ein, ein Erkenntnisakt. Der Mensch kann das, weil er beiden Welten angehört, der stofflichen Welt und der geistigen.
Ein Gedanke wie „Eins und Eins ist Zwei“ gilt überall auf der Welt und schon immer und auch in ferner Zukunft und für jeden. Es ist etwas typisch Geistiges. Wenn nun zwei Äpfel auf dem Tisch liegen, ist ihnen egal, ob sie zusammen zwei Äpfel sind. Aber meine mathematische Zuordnung zu ihrem Dasein setzt sie in Beziehung zueinander. Sogar wenn der eine Apfel sich auf dem Nordpol befände und der andere auf dem Südpol. Was ich mit geistiger Tätigkeit erfasse, ist wie ein Herabziehen aus einem geistigen Jenseits in das materielle Diesseits, dem ich mit meinen Alltagssinnen angehöre. Als erkennender Mensch bin ich ein Bindeglied zwischen der stofflichen und der geistigen Welt. Was immer über die Macht der Gedanken gesagt wird, nimmt in dieser Betrachtung greifbare Form an.
Dass etwas gleichzeitig rot und blau ist bleibt doch als Zweifel in unserem Verstand hängen. Aber erlebt der Astrologe mit einem Horoskop nicht etwas Ähnliches? Im Tageslauf bewegt sich der Tierkreis mit der Sonne rechtsherum von Ost nach West. Im Jahreslauf bewegt sich die Sonne dagegen gleichzeitig linksherum von West nach Ost, langsam zwar, aber gegenläufig zur Tagesbewegung. Zusammen ist es Teil eines Ganzen.
Was bedeutet das für die Astrologie?
Astrologie versucht planetare Zyklen im Universum in Beziehung zu Menschen zu setzen. Bei einem Menschen wird sein Geburtshoroskop als Bild der damaligen zyklischen Zusammenhänge der Planeten zugrunde gelegt.
Es liegt am Menschen, die Möglichkeiten des Horoskops zu erkennen und dann auch zu gebrauchen. Es ist eine Polarität von „Mache ich es?“ und „Wird es mit mir gemacht?“ Bevor es passiert, ist beides gleichzeitig vorhanden, im Zustand der Möglichkeit. Mit der Verwirklichung einer im Horoskop gefundenen Möglichkeit verwirklicht der Mensch sich selbst. Ist das wirklich so? Vielleicht nur, wenn er es bewusst tut. Wenn er sich sagt „Ich will das“. Wenn andere Menschen, andere Umstände die im Horoskop liegenden Möglichkeiten in die stoffliche Welt bringen, dann erlebt er es auch. Es ist aber nicht seine Verwirklichungshandlung. Weil andere es tun, die mit ihm „verschränkt“ sind wie unsere Elementarteilchen in der Quantenphysik.
Sind Menschen auch geistig miteinander „verschränkt“? Das hört sich sehr abstrakt an und soll an einem menschlichen Beispiel deutlich werden. Gruppenschicksale verknüpfen manchmal auch Menschen miteinander, die sich vorher nicht gekannt haben und die für sie selbst scheinbar zufällig aufeinandertreffen. Am 23.5.2021 betraten 15 Menschen eine Gondel einer Seilbahn am Monte Mottarone in Stresa, Italien. Bei der Abfahrt ins Tal löste sich eine Sicherheitsbremse und die Gondel stürzte ab. Von den 15 Menschen starben 14. Ihr Durchschnittsalter lag bei ca. 36 Jahren. Rechnet man mit den exakten Geburtstagen der Toten, haben sie einen gemeinsamen Durchschnittsgeburtstag, der auf den 1.8.1985 fällt. Das ist der 15. Jahrestag der Inbetriebnahme der Gondel gewesen. Das heißt, dass das Zusammenspiel der Geburtstage dieser Menschen, die sich zum Teil vorher nie begegnet sind, eine mathematische, also geistige, Verknüpfung ergibt. Konkret wird sie durch das gleichzeitige Fahren in derselben Gondel am selben Tag. Wäre einer der Fahrgäste nicht eingestiegen, was wäre wohl passiert, oder nicht passiert? Aber wer steuert diese unbewusste Gruppendynamik. Es sieht so aus, als käme das von jenseits der Raum-Zeit-Grenze. Im Diesseits sieht man nur, dass es überhaupt eine Art Verschränkung gibt.
Die Astrologie als eine Art Symbolwissenschaft oder als Ausdruck von Synchronizität von Ereignissen zu kennzeichnen hilft nicht. Denn damit wird nur etwas beschrieben. Es erklärt nicht, warum bestimmte Dinge gleichzeitig passieren, die wir als innerlich zusammengehörig empfinden. Wir sind Teil der Erde und die Erde Teil des Kosmos. Wir sind dadurch selbst Teil des Kosmos, Akteure des Kosmos. Astrologie beschreibt eine Globalisierung des menschlichen Handelns. Ob sich die Handlungen kosmologisch harmonisch oder disharmonisch verhalten.
Globalisierung haben wir erst auf der materiellen Ebene bewusst erfahren. Wir schicken Menschen auf den Mond, zunächst nur ein körperlicher Vorgang. Bildet sich da nicht die Ausdehnung der Globalisierung auf den Kosmos ab? Ob auch ein geistiges Feedback auf den Kosmos stattfindet, hängt davon ab, ob unsere geistigen Tätigkeiten nur Interpretation des Kosmos sind. Vielleicht ist es so, dass wir im Nachdenken immer Teil des Kosmos sind und unsere geistige Tätigkeit ihn dadurch beeinflusst, wie ein Fluss, der ins Meer fließt und Teil des Meeres wird. Ein Fluss der Gifte ins Meer trägt, vergiftet das Meer und ein sauberer Fluss nicht. Ist es mit unseren Gedanken auch so?
Es sieht für mich so aus, als könnte die Denkweise der Quantenphysik den Astrologen helfen, einen Teil der Astrologie besser zu verstehen. Astrologen möchten gerne mit Naturwissenschaftlern über Astrologie diskutieren, die etwas von Astrologie verstehen. Sollten wir als Astrologen nicht auch etwas mehr von Naturwissenschaft wissen, bevor wir über deren Sichtweise ein Urteil fällen?
Wenn Naturwissenschaft im Sinne von Plancks atomaren Sonnensystem sogar Geisteswissenschaft ist, wie sollte die Astrologie mit ihrem Sonnensystem etwas anderes sein? Mancher erwartet von einer Geisteswissenschaft analytische oder objektive Erkenntnis. Denn wenn Geistiges seiner Natur nach außerhalb von Zeit und Raum existiert, müsste doch Subjektives ausgeschlossen sein, weil z.B. „Eins und Eins ist Zwei“ für jeden, immer und überall gilt, oder? Offenbar ist das nicht bei allem Geistigen so. Denn der erkennende Mensch nimmt zwangsläufig Einfluss auf die scheinbar objektive Welt. Seine Eingebungen, kreative Geistesblitze kommen nicht aus einem materiellen Universum, sondern aus einem außerhalb dessen liegenden Universum. Die Astrologie als kreative Tätigkeit wäre weniger Erklärung für den Grund menschlichen Handelns, als vielmehr eine Perspektive, wohin das Handeln führen kann.
Warum muss die Astrologie Aussagegrenzen haben?
Die Kritiker der Astrologie weisen zurecht darauf hin, dass mit schwammigen Deutungen das Thema umgangen wird, ob Astrologie eine klare Aussage für die Zukunft treffen kann. Ein selbst zu verantwortendes Leben verlangt, dass die Astrologie Unschärfen hat. Wäre sie ein präzises Uhrwerk, dem der Mensch marionettenähnlich nachfolgen müsste, bräuchte man sich keine Gedanken machen, wie man handeln soll und wer die Verantwortung trägt. Deswegen sind Aussagegrenzen zu respektieren und deswegen ist es angemessen „schwammige Aussagen“ zu formulieren.
Wenn wir Astrologie als ein System von zeitlichen Rhythmen sehen, welche geeignete Zeitpunkte erkennen lassen, so sind wir da, wo man in der Physik von potentieller Energie sprechen würde. Da stört sich auch niemand daran, schwammige Aussagen über eine Masse Schnee auf einem Berg zu machen: Wenn sie als Lawine runterkommt, wird das verheerend. Sie hat eine unglaubliche Energie. Aber ob sie sich löst, kann ich leider nicht sagen.
Was möglich ist, muss nicht passieren! Der Zeitpunkt der Realisierung kann je nach Ort im Zyklus als passend oder weniger passend eingeordnet werden. Das zu erkennen ist die astrologische Herausforderung.
Quellen:
Planck Rede in Florenz: https://beruhmte-zitate.de/zitate/1952278-max-planck-als-physiker-der-sein-ganzes-leben-der-nuchternen/
Daten der Opfer zum Gondelbeispiel: italienische Wikipedia „Incidente della funivia Stresa-Alpino-Mottarone“
und zur Seilbahn selbst: deutsche Wikipedia „Seilbahn Stresa–Monte Mottarone“; Abruf jeweils 25.2.2024
Über den Autor
Dr. Bernhard Firgau
Dr. Bernhard Firgau (Jg. 1954), Jurist und geprüfter Astrologe (DAV); Gründungsmitglied der Sektion fur Mundan- und Wirtschaftsastrologie im DAV. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf den astrologischen Zusammenhängen zwischen der Biografie des Einzelnen und seiner Umwelt. Neben Zeitschriftenartikeln und Vorträgen hat er seine Forschungsergebnisse auch als Buchautor veröffentlicht. („Wahlprognose mit Astrologie“ (zusammen mit Gerhard Lukert), „Ingresse“, „Praxisbuch Mundanastrologie“, „Schicksalsgefährten“).