Die Geburtsstunde des Tierkreises
mit dem die westliche Astrologie arbeitet, von Hans Kurt Steilen
Prolog
Die westliche Astrologie arbeitet mit dem Tierkreis mit Bezug zum tropischen Frühlingspunkt und benutzt so die „ewig feststehenden Himmelskoordinaten“. Dies ist der einzig „wahre“ Tierkreis, denn wahr ist nur das, was sich niemals ändert.
Für diesen Tierkreis gilt das jedenfalls so lange die Erde sich auf einer annähernd idealen Kreisbahn um die Sonne bewegt, übrigens mit der wahnwitzigen Geschwindigkeit von über hunderttausend Kilometer pro Stunde!
Der Tierkreis hat eine mehrere tausend Jahre alte Geschichte. Wenn man sich also auf die Suche nach dem Ursprung des Tierkreises machen will, muss man auf jeden Fall diese Zeitspanne zurückschauen und in Erfahrung bringen, was im alten Mesopotamien dahingehend unternommen wurde. Dort wurde schon sehr früh damit begonnen, den Sternenhimmel sehr genau zu beobachten.
Die heutige Kenntnis darüber haben Archäologen durch Ausgrabungen mit nachfolgender Entschlüsselung der Keilschrift-Omina-Tafeln „Enuma Anu Enlil“ geliefert.
Die grundlegende Motivation der Mesopotamier
Die Divination, im Sinne von „Erforschung des göttlichen Willens“ wurde in den babylonisch-assyrischen Hochkulturen im Auftrag der Herrscher praktiziert. Das waren die wesentlichen Beweggründe für das Erkenntnisstreben der Mesopotamier und damit direkt verbunden war die systematische Beobachtung der astronomischen Vorgänge am Sternenhimmel. Den Spuren der Rhythmen der Natur folgend, erkannten die alten Mesopotamier bereits sehr früh, dass die Kreisläufe des Himmels und die Kreisläufe auf der Erde zusammengehören: „Auch wenn die Zeichen am Himmel getrennt von den Zeichen auf der Erde auftreten, sind sie doch nicht unabhängig voneinander, denn Himmel und Erde sind verbunden“. Die Zeichen am Himmel wurden als Botschaften der Götter angesehen, die es zu deuten galt und so mussten sie regelmäßig Nacht für Nacht an verschiedenen Stellen im ganzen Land beobachtet werden. Den Astronomen wurde dabei irgendwann sogar ein „Handbuch“ in Form von Tontafeln zur Verfügung gestellt, um sicherzustellen dass die Qualität der Beobachtung dem „Standard“ des Königs entsprach. Das „mesopotamische Kompendium der Himmelskunde“, der Tontafelserie der Keilschrift-Dokumentation MUL.APIN ist in dem „Handbuch der babylonischen Astronomie“ von Ernst F. Weidner ausführlich beschrieben. MUL.APIN diente dazu die alten Astronomen bei ihren Himmelsbeobachtungen zu unterstützen, damit eine einheitliche Ausbildungsstufe geschaffen werden konnte. Es enthält keine wissenschaftlichen Abhandlungen! So wird man hierüber keine eindeutigen Erkenntnisse über den „Ursprung des Tierkreises“ erhalten können, weil man nur eine historische Annäherung erfährt, deren Grundlage von den Archäologen geschaffen wurde.
Die Erforschung des Ursprungs auf Grundlage historischer Funde im Zweistromland
Die zentrale Frage der Untersuchung „Die Definition des babylonischen Tierkreises“ von Robert Powell ist die Hypothese über die Fiduzial-Achse, die von den Sternen Aldebaran im Sternbild Stier und Antares im Sternbild Skorpion gebildet wird. Fiduzial hat dabei die Bedeutung: „als zuverlässige oder vertrauenswürdige Transformierungsgrundlage dienend“, da ein Bezug von der Einteilung der ekliptikalen Sternbilder zum neuen Messkreis gefunden werden musste.
DAV-Mitglied Manfred Magg hat diesbezüglich den Autor dieser Zeilen darauf aufmerksam gemacht, dass kein echter Beweis existiert, dass die Mesopotamier genau diese Fiduzialachse benutzt haben. Worum es grundsätzlich geht, soll die von ihm freundlicher Weise zur Verfügung gestellte “Sternkarte mit Bezug zur Tierkreiseinteilung“ verdeutlichen.
Quelle: Manfred Magg
In seinem Buch „Geschichte des Tierkreises“, welches eine revidierte und aktualisierte Fassung seiner Dissertation mit zuvor genannten Titel darstellt, bezeichnet Robert Powell diese Grundlage als „innere Definition“. Dieser Ausdruck bedeutet nur, dass nirgendwo in der babylonischen Tontafelserie MUL.APIN eine Bezugnahme auf diese, für seine Hypothese fundamentale Definition zu finden ist.
Eine Vielzahl der Diskussionen in Powells Buch kreisen darum, in welchem Winkelverhältnis die Tierkreiseinteilung in Bezug zu den Sternen gedreht wird. So wird der Leser auf eine Odyssee der unterschiedlichen Arten von Tierkreisen in die antiken Kulturen der Inder, Ägypter, Griechen und Römer mitgenommen, gepaart mit den Forschungsergebnissen von Wissenschaftlern wie Otto Neugebauer und B. L. van der Waerden und weiteren, sowie Einblicke in die Arbeiten von Isaak Newton zu diesem Thema.
Das Problem, welches hier auftritt besteht darin, dass wir es mit zwei unterschiedlichen Systemen zu tun haben. Das primäre ist das Beobachtungssystem, welches in den MUL.APIN-Tafeln gut dokumentiert ist und das sekundäre ist das Berechnungssystem, welches wir heute allgemein als den Tierkreis bezeichnen und somit die Grundlage der Ephemeriden darstellt. Die Transformation vom primären zum sekundären System erfolgte nur aus dem einzigen Grund, damit Berechnungen wesentlich einfacher durchgeführt werden konnten. Welche Referenz dabei benutzt wurde und zu welcher Zeit dies genau geschah, ist Gegenstand von Spekulationen.
Der Einsatz der hohen Rechenkunst der Mesopotamier als Hilfsmittel zur Omenkunde
Mit dem sekundären System konnte man Berechnungen anstellen und Vorhersagen von Planetenphänomenen, wie zum Beispiel Sonnenfinsternisse treffen. Dieses Wissen wurde höchst wahrscheinlich eine Zeit lang streng geheim gehalten, da solche Finsternisse nach den Omina dem König selbst am bedrohlichsten werden konnten. Es wurden sogar „Ersatz-Könige“ für besonders kritische Zeiten auf den Thron gesetzt, um den „wahren“ König vor dem Zorn der Götter zu schützen. Nach dieser Zeit, jedoch nach maximal 100 Tagen wurde der Ersatzkönig geopfert.
Der wahre König lebte also stets in der Angst, dass die Götter ihn bestrafen könnten und so wurden die Astronomen angewiesen den Sternenhimmel systematisch zu beobachten und die Phänomene des Himmels und die astronomischen Vorgänge akribisch genau zu dokumentieren. Es wurden mehrere „Sternwarten“ im ganzen Land eingerichtet und die Astronomen mussten alle an den König ihre Beobachtungen berichten. So konnte der König sicherstellen, dass kein „relevantes Zeichen“ übersehen wurde. Es wurde eine besondere „Bewachung“ der Sonne angeordnet, wenn die Gegebenheiten für eine Finsternis günstig standen (Neumond Konjunktion Mondknoten).
Die reine Beobachtung reichte den Königen dann wohl irgendwann nicht mehr aus und da man über eine gute Mathematik verfügte und viele „Zeichen“ einem Zyklus unterlagen, verlangte er die Einführung einer Grundlage zur Berechnung zukünftiger Sonnenfinsternisse und andere Erscheinungen des Himmels zu schaffen. Im „Beobachtungssystem“ konnte man nicht rechnen, da es nicht linear war. Also musste ein Koordinatensystem geschaffen werden, welches mit ihrem Sexagesimalsystem (Zahlensystem zur Basis 60) vereinbar war. Der Kreis wurde in 360° eingeteilt (=12×30°). Diese Einteilung wird heute noch verwendet und alle nachfolgenden Kulturen, wie Griechen und Römer hatten diese Einteilung damals natürlich auch übernommen.
Wie tief dieses mesopotamische Rechensystem sogar noch in unserem Dezimalsystem „verankert“ ist, soll an der Zählweise verdeutlicht werden. Wenn wir auf die „Zehn“ die „Elf“ statt der „Einzehn“ und die „Zwölf“ statt der „Zweizehn“ folgen lassen, um erst dann zur „Dreizehn“ zu gelangen, so ist das ein verstecktes Erbe aus dem Zweistromland von Euphrat und Tigris.
Die großen Sonnengötter EA, ANU und ENLIL
Die zweite große Errungenschaft der Gelehrten war die genaue Beobachtung des Sonnenlaufs. Da die Sonne alle Fixsterne überstrahlt, konnte man die Position der Sonne zu den Fixsternen nicht direkt bestimmen. Eine Ausnahme gibt es allerdings und das ist die kurze Zeit während einer totalen Sonnenfinsternis – nur die sind selten und an einem bestimmten Ort der Erde noch extrem seltener. Sie verwendeten tagsüber das einfachste astronomische Instrument – den Schattenstab – auch als Gnomon bezeichnet und untersuchten den Schattenverlauf über den Tag und über das Jahr sehr genau, eben mit der gleichen Akribie, mit der sie auch schon den Sternenhimmel beobachteten. Es wurden markante Linien in den Stein geritzt, die die gnomonische Projektion wieder spiegelten. Es entstehen gekrümmte Linien und eine exakte Gerade. Das ist der Schattenverlauf der Spitze des Stabes an dem Tag der Tagundnachtgleiche zum Frühlingsanfang und zum Herbstanfang. Den dazugehörenden Verlauf der Sonne am Himmel nannten die Babylonier „Der Weg des ANU“. Der gekrümmte Verlauf des längsten Schattens ist genau zur Winter-Sonnenwende [Solstitium = lateinisch für „Sonnenstillstand“], den die Babylonier „Der Weg des EA“ nannten. Der gekrümmte Verlauf des kürzesten Schattens ist genau zur Sommer-Sonnenwende, den die Babylonier „Der Weg des ENLIL“ nannten.
Viele Historiker der babylonischen Astronomie vermuteten diese Wege nur am Nachthimmel, denn sie werden in MUL.APIN mit den entsprechenden Sternen aufgeführt, aber ohne den direkten Bezug zu den Messungen mit dem Schattenstab zu nennen. Die Geschichte des Tierkreises wird über die historische Annäherung nicht geklärt werden können, wohl aber kann die wissenschaftliche Annäherung hier eine Lücke schließen. Mit der gnomonischen Projektion und mit Hilfe der einfachen geometrischen Konstruktionen der Winkelhalbierenden konnten die Babylonier auch die exakte Nord- Südrichtung bestimmen und mit Hilfe der Mittelsenkrechten das Kreuz der Himmelsrichtungen. Zu den Tagundnachtgleichen geht die Sonne exakt im Osten auf und genau im Westen unter.
Alle wichtigen Gebäude in Babylon sind exakt zu den Himmelsrichtungen aufgebaut worden. Dies kann man an Hand von Satellitenfotos auf die Ruinengrundrisse recht einfach überprüfen. Laut Herodot (ca. 485–425 v. Chr.) haben die Griechen das Prinzip des Gnomons von den Babyloniern übernommen. So ist dieser wichtige Teil des Tierkreises – die Einteilung der Jahreszeiten – eine Erfindung der Gelehrten Mesopotamiens. Die Einteilung erfolgte über zwölf schematische Sonnenmonate zu je 30 “idealisierten“ Tagen. Dieses astronomische Phänomen in Bezug auf den natürlichen Jahreszyklus war auch sehr wichtig für den Ackerbau.
Der Tierkreis der Babylonier
Die Praxis der „Gleichsetzung von Monaten und Zeichen“ wurde in MUL.APIN ebenfalls erwähnt. Das „Kreuz“ der Jahreszeiten trifft auf den normierten „Kreis“ der Winkel für die ekliptikale Länge. Diese zwölf Abschnitte nannten die alten Gelehrten „Zeichen“, im Sinne von Merkmal.
Den Tierkreis nannten die Mesopotamier „ULH.HE“ „Glänzende Herde“ und so lauten die Tierkreiszeichen in einem Text aus der Arsakidenzeit:
1. GU.AN.NA >Himmlischer Stier< Stier
2. MASCH.TAB.BA >Zwilling< Zwillinge
3. AL.LUL >Kneifzange< Krebs
4. UR.GU.LA >Löwe< Löwe
5. ESCH.SCHIN >Ihr Vater war Sin< (der Mondgott) Jungfrau
6. ZI.BA.AN.NA >Himmlisches Schicksal< Waage
7. GIR.TAB >Kratzendes und Schneidendes< Skorpion
8. PA.BIL.SAG >Verteidiger< Schütze
9. SUHUR.MASCH >Ziegenfisch< Steinbock
10. GU.LA >Herr der Gewässer< Wassermann
11. SIM.MAH >Zwei Fischschwänze< Fische
12. KU.MAL >Feldarbeiter< Widder
Beim ersten Zeichen wurde RESCH.GU beigeschrieben: “Der Anfangspunkt liegt im Stier“. Mithin hatten die Babylonier in der späteren Zeit Kenntnis, dass der Frühlingspunkt sich einmal im Stier befunden haben muss. So waren ihnen zweifelsohne auch schon die Auswirkungen der Präzession bekannt. Ernst F. Weidner schrieb 1915 dazu: Babylonische Meister waren es also, deren rastlos grübelnder Geist mehr als 1000 Jahre vor Hipparch die Tatsache der Präzession fand und damit die größte astronomische Entdeckung des Altertums machte.
Zum Verständnis astronomischer Texte der Babylonier ist der Bezeichner „MUL“ von größter Wichtigkeit. Er kann einen Einzelstern, eine Sterngruppe, ein Sternbild oder einen Planeten anzeigen. So deutet die qualifizierte Bezeichnung MUL.GIR.TAB zum Sternbild „Skorpion“ hin und MUL.GAB.GIR.TAB bezeichnet den Alpha-Stern „Antares“ im Sternbild Skorpion. Die Tontafelserie MUL.APIN bedeutet “Pflugstern“, benannt nach den Anfangsworten der ersten Tafel. So findet man bei den Tierkreiszeichen den Bezeichner “MUL“ nirgendwo, da “die Zeichen“ Bestandteile eines Messkreises sind und keinen Bezug zu den Sternen haben. Der heutzutage geläufige Begriff “Sternzeichen“ wäre ein Affront für die alten Gelehrten gewesen. Wer ihn heutzutage benutzt, der sich ernsthaft mit Astrologie beschäftigt, sollte sich spätestens jetzt darüber im Klaren sein, dass hiermit nur eine Mystik zu den Sternen vorgetäuscht wird, die in keiner Weise gegeben ist.
Die wesentlichen Punkte, die den Tierkreis charakterisieren, sind alle in Mesopotamien entwickelt worden:
1) Die Einteilung und Definition des Messkreises in zwölf Abschnitte zu je 30 Grad im Sexagesimalsystem, welches ebenfalls von ihnen entwickelt wurde.
2) Die Entwicklung des ersten Sonnenkalenders neben dem sonst üblichen “bürgerlichen Mondkalender“ und die gleiche Einteilung dieses Jahres im Sexagesimalsystem in zwölf schematischen Sonnenmonate zu je 30 “idealisierten“ Tagen.
3) Die exakte zeitliche Bestimmung der vier Jahreszeiten und die Zuordnung zum Kreis über das Kreuz als Symbolzeichen und damit verbunden die genaue Bestimmung der vier Himmelsrichtungen.
4) Die akribisch genauesten Beobachtungen und Dokumentationen der Abläufe des Sternenhimmels und damit verbunden die abgeleitete Namensgebung der zwölf Zeichen des Messkreises, den wir heute Tierkreis nennen.
5) Die Gleichsetzung von Monaten und Zeichen und damit die symbolische Vereinigung der Kreisläufe des Himmels mit den Kreisläufen auf der Erde.
6) Die intensive Verbundenheit zu den Omina als Wahrsagemethode und damit die Gleichsetzung der Zeichen am Himmel mit den Botschaften der Götter.
7) Die grundlegende Motivation, Berechnungen durchführen zu müssen, um zukünftige auftretende Konstellationen vorhersagen zu können.
Die evidentesten Hintergründe des Sterns von Bethlehem
Welch große Rechenkünstler die alten Babylonier waren, soll an Hand einer gewagten Hypothese des Autors gezeigt werden. Dem Phänomen der Sonnenfinsternisse galt, wie zu Beginn des Artikels schon dargelegt, ihrer besonderen Aufmerksamkeit, da sie in voller Loyalität ihrem König gegenüber tätig werden konnten. Zunächst konnten sie nur den Zeitpunkt einer solchen Finsternis berechnen, aber nicht welcher Art diese war, also eine partielle, ringförmige oder totale Sonnenfinsternis. Da sie über das ganze Land verstreute Sternwarten hatten, bemerkten diese akribisch genauen Beobachter, dass selbst die Art der partiellen Überdeckung der Sonne durch den Mond auch vom Standpunkt des Betrachters auf der Erde maßgeblich bestimmt wird. Also gingen sie daran, eine Berechnungsgrundlage auf Grund ihrer scharfen analytischen Methoden zu schaffen, um dem König noch bessere Vorhersagen machen zu können.
Eine totale Sonnenfinsternis direkt über Babylon wäre ihrer Ausfassung wohl der „Super-GAU“ für den König gewesen. Wissenschaftlich ist die Berechnung des „Kernschattenverlaufs auf der Erde“ eine extrem komplizierte Sache. Aber gehen wir einmal davon aus, sie haben es irgendwann geschafft. Da solche totalen Sonnenfinsternisse an einem bestimmten Ort sehr selten sind, mussten sie, um ihre Berechnungen zu überprüfen, weit reisen. Und so machte sich eine Expedition nach Ende der Regenzeit (Wassermann) im Jahre 7 v. Chr. von Babylon im Zweistromland auf, um vor dem 23. Oktober in Libyen anzukommen. Denn genau dort und nur da konnte man zu dieser Zeit eine totale Sonnenfinsternis beobachten, aber dazu musste man über 2500 km mit einer Karawane zurücklegen. Dort angekommen muss der Anblick der „Total Solar Eklipse“ für die „Weisen aus dem Morgenland“ mehr als überwältigt gewesen sein, denn erstens ergreift es jeden ungemein, der dieses gigantische Schauspiel am Himmel verfolgen kann und zweitens hatten sie es mit Hilfe komplizierter Mathematik in ihrem Sexagesimalsystem genau vorher berechnet und drittens konnten sie zum ersten Mal etwas beobachten, was sie zuvor noch nie gesehen hatten: der direkte Bezug der Sonne zum Fixsternhimmel, denn es ist Nacht während der Totalität und man sieht die Sterne und die Planeten die in der Nähe zur „schwarzen Sonne mit dem Corona-Kranz“ stehen. Mit diesen phantastischen Eindrücken machten sie sich wieder auf den langen Heimweg über Alexandria, samt Nilüberquerung und gelangten etwa zwei Monate später nach Bethlehem.
Was da geschah, ist in der Bibel gut dokumentiert! Es existieren zahlreiche Spekulationen über „Was der Stern von Bethlehem denn wirklich gewesen sein könnte“, so beispielsweise eine dreifache Jupiter Saturn-Konjunktion im ebenfalls gleichen Jahr. Sämtliche Erklärungsversuche bezüglich einer direkten Himmelserscheinung halten allerdings einer ernsthaften Prüfung nicht stand.
Sternstellungen, seien sie auch noch so markant, sind viel zu allgemein, um eine Geburt eines besonderen Menschen an einem bestimmten Ort auf der Erde so präzise ankündigen zu können und warum sollten sich babylonische Gelehrte auf eine 800 km weite Reise aus ihrer Heimat nach Bethlehem begeben, um einen „fremden“ König zu huldigen? Nun denn – wenn es sich so ereignet hat und die „Weisen aus dem Morgenland“ „zufällig“ auf ihrem Rückweg von ihrer großen Mission diesen berühmten Stall betreten haben, dann als die großartigsten Mathematiker, Astronomen und Astrologen ihrer Zeit. Ihr Wissen haben sie dort bestimmt geheim gehalten und so tauchte dann der „Stern“ auf, dem sie gefolgt sind.
Diese a priori Annahme entbindet natürlich jeglicher Erfahrungsgrundlage und setzt eine enorme Steigerung der schon bekannten hohen Rechenkunst der Babylonier voraus. Die Beschreibungen in MUL.APIN über die Sterne die „ZIQPU“ sind, bilden die Grundlage als Beobachtungsphänomen für diese Art von Berechnungen. “ZIQPU“ ist ein noch nicht ganz entschlüsseltes System, welches in der Tontafelserie erwähnt wird.
Der Austausch der Wissenschaften
Der babylonische Astronom Seleukos von Seleukia am Tigris übernahm die heliozentrische Lehre von Aristarchos von Samos (um 310 – 230 v. Chr.), wonach die Erde sich um ihre eigene Achse und um die Sonne dreht. So wurde auch griechisches Wissen nach Babylonien rezipiert. In Griechenland selbst musste diese Vorstellung verworfen werden, weil sie der aristotelischen Lehre widersprach. Nach der Eroberung Babylons durch Alexander den Großen (330 v. Chr.) wurde in der folgenden hellenistischen Epoche viel Wissen ausgetauscht. Eine wichtige Drehscheibe dieser Zeit war Ägypten, wo sich Alexandria zu einem kosmopolitischen Zentrum der Gelehrten entwickelt hatte. Hier lebte auch der geniale Eratosthenes (um 275 – 194 v. Chr.), der sogar den Umfang der Erde schon sehr genau bestimmte, eine wichtige Kenngröße für die Berechnung des Kernschattenverlaufs einer totalen Sonnenfinsternis.
Epilog
Der Ursprung des Tierkreises, wenn auch seine genaue Klassifizierung nicht exakt bestimmt werden kann, liegt eindeutig in der babylonisch-assyrischen Hochkultur Mesopotamiens verborgen. Auf dem Weg des Tierkreises durch die Geschichte ist dieser den mannigfaltigsten Interaktionen ausgesetzt gewesen, wobei er hauptsächlich durch die ägyptische, griechische und römische Kultur transformiert wurde, bis er dann ins “Abendland“ gelangte. Das Ganze wurde durch den Einfluss der unterschiedlichen sozialen Praktiken, den religiösen Lehren und philosophischen Theorien zudem noch undurchsichtiger gestaltet. Auf jeden Fall kann man aber sagen, dass die tiefen Wurzeln der westlichen Astrologie in den Omina des Zweistromlandes verborgen liegen, denn diese Wahrsagemethoden waren stets untrennbar mit der mesopotamischen Astronomie und damit auch mit dem Tierkreis verbunden.
Der Autor
Hans Kurt Steilen
Jahrgang 1960
Sonne in LÖWE
Aszendent LÖWE
Studium der Elektrotechnik von 1984 – 1988 / Dipl. Ing.(FH), danach als Produktentwickler für Messgeräte und als Programmierer tätig. Seit 2003 intensives Studium der Astrologie. Mitglied der Astrologischen Gesellschaft Frankfurt am Main e.V. von 2005 – 2014